Brunnen und Wasserspiele in Nürnberg - Teil 3

Modern: Der Hans-Sachs-Brunnen oder das "Ehekarussell"

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Das "Ehekarussell"

Der monumentale Brunnen am Weißen Turm in Nürnberg zeigt in sechs Figurengruppen expressiv Szenen einer Ehe - und Hans Sachs tanzt dazu hoch oben auf einer Art Maiskolben-Säule ...

Der Brunnen wurde von dem Braunschweiger Künstler Jürgen Weber (1928-2007)  gestaltet. Weber nimmt Bezug auf ein Gedicht von Hans Sachs, in dem dieser Freud und Leid des Ehestandes beschreibt.

Hans-Sachs-Brunnen
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Doch lassen wir Jürgen Weber selbst zu Wort kommen:
"Das Gedicht von Hans Sachs besteht aus Doppelversen, die die Ehe ebenso preisen wie anklagen. Das Gedicht ist so total ausgewogen, so ohne Anfang und Ende, dass ich ein Karussell aus sechs Wagen konzipiert habe, die abwechselnd negative wie positive Szenen der Ehe darstellen. Drei Wagen stellen Liebe und Eheglück dar und drei das Gegenteil.
Bild "Nuernb_Ehe02_01.jpg"Bild "Nuernb_Ehe02_02.jpg"Die Karussellwagen und die Szenen, welche sich in ihnen abspielen, bedeuten immer das Gleiche. So ist der Wagen links von Hans Sachs eine Muschel, aus der seine Frau als Geliebte und Aphrodite tritt. In der Muschel kniet aber außerdem ihr Ehemann, ein Musiker und ein Trompeter, der die Schönheit seiner Frau dem Publikum anpreist. Die Venusmuschel wird so zur Schaubude und somit wiederum dem Milieu der Kirmes angeglichen. Im Gedicht sagt Hans Sachs: 'Mein Frau ist meine Zier und Lust'. Die schöne Frau ist also die Zier des Mannes, mit der er sich brüstet."

Frau und Geliebte - schön wie Aphrodite
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"Rechts von Hans Sachs befindet sich das Paar in einem Flammenwagen. Mann und Frau haben sich gegenseitig an der Kette und stehen in Flammen. Das Bild weist auf die 'Jüngstes-Gericht-Darstellungen' der Gotik hin, in denen immer in einer Ecke der Teufel die Verdammten mit einer langen Kette gefangen hält; das Ganze natürlich in Flammen. Der Wagen sagt also: 'Jeder des anderen Teufel, jeder des andern Verdammter'. Die Verse bei Hans Sachs, welche das Gleiche meinen, heißen: 'Sie ist auch oft mein Pein und Hell ... ist oft mein Fegeteufel woren...' "

gefesselt im Flammenwagen
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"Neben dem Höllenfeuer finden wir den Schwanenwagen mit einem liegenden nackten Liebespaar, dass sich küsst. Der Schwan - seit alters her ein Liebesvogel - hat zwei Hälse und Köpfe, welche ebenfalls miteinander schnäbeln. Außerdem haben alle Karussels Schwanenwagen. Bei Hans Sachs heißen die dazugehörigen Verse: 'Sie ist mein Engel auserkoren ... Sie ist mein Mai und Rosenhag'."

schnäbeln im Schwanenwagen
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"Nach dem Schwanenwagen, neben dem Rosenständer, schließt sich ein Höllendrachen als Wagen an, auf dem zwei halbverweste Leichen miteinander kämpfen. Auf dem Bein des Höllendrachens stehen die Worte: 'Ehestreit in Ewigkeit'. Die dazugehörigen Verse bei Sachs sind: 'Ist oft mein Schauer und Platzregen ... Ist oft mein Ankläger und Prediger ... Ist oft mein Jammer, Angst und Schmerz ... Ist oft mein Graun und Suppenwust'. Der Höllendrachen und die Leichen spielen wieder auf die Kirmes, also Geisterbahn an."

Ehestreit in Ewigkeit
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Rosenhag
"Hans Sachs gebrauchte viele Vergleiche dieser Art: Daher stellen im Karussell zwei Wagen Höllenbilder dar. Auf der anderen Seite des Rosenhags - in rosa und grünem Marmor - steht der Pelikanwagen, in dem die Mutter die Kinder füttert, während der Vater weise Reden hält. Die frühen Christen hielten den Pelikan für das Ursymbol der Mutterschaft, weil er angeblich sein eigenes Herz an die Jungen verfütterte, wenn er für sie kein Futter fand. Dies ist hier dargestellt. Im Gedicht von Hans Sachs heißt der dazugehörige Vers: 'Mein Frau, die hilft mir treulich nähren ...' "

Mutterschaft
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"Der Gegenvers dazu lautet: 'Thut mir auch oft das Mein verzehren'. Jenseit des marmornen Früchtekranzes besteht der entsprechende Wagen aus einem Vielfraß, welcher sich einen in Marmor ausgeführten Hecht fängt. Drinnen sitzt eine dicke Frau, die ihren und den Kuchen ihres Mannes aufisst. Der Streit um das Geld ist gemeint."

... thut mir auch oft das Mein verzehren
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Bis der Tod euch scheidet
"Am Kopf des Brunnen tanzt und singt Hans Sachs über dem Chaos seiner Ehe auf einer maiskolbenartigen Säule. Hinter dieser Säule befindet sich der Ehefelsen, auf dem ein verendeter Bock, als Symbol für den Mann, und ein Menschenschädel, als Überrest der Frau, liegen. In den Felsen sind die Worte eingemeißelt: 'Bis das der Tod euch scheidet.' Das Gedicht von Hans Sachs endet ähnlich: 'Sie ist meines Herzens Aufenthalt, und machet mich doch grau und alt'."

Sachs tanzt
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"Von dem Felsen springt links von Hans Sachs ein Bock in das vorderste Brunnenbecken, in das von rechts eine Brunnennymphe steigt. Bock und Nymphe stellen den eigentlichen Eros dar, der zu Liebe und Ehe führt.
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Während bei Hans Sachs die positiven und negativen Sätze sich aufheben, kommt beim Ehekarussell durch Blüten und Früchte zusätzlich Positives hinzu: Wie die Ehe auch war, sie hat Früchte getragen. Die Auffassung als Karussell und die darauf bezogene farbige Fassung sind volkstümlich und trotz Liebe und Schrecken nicht ganz so ernst gemeint, wie sie in Nürnberg anscheinend verstanden werden. (Der Brunnen war nach seiner Aufstellung in Nürnberg eine Zeit lang heftig umstritten - Anm. hb)
Das wichtige menschliche Problem von Liebe und Ehe - keineswegs eine banale Frage - wird hier dadurch vergegenwärtigt, dass volksfestartige Formen verwendet werden, so wie früher religiöse Muster benutzt wurden. Es handelt sich um eine ähnliche Verwandlung von Kirmes zu Kunst wie in der Drei-Groschen-Oper von Bert Brecht.
Ein kleines bisschen Humor sollte man bei sich schon entdecken, wenn man den Brunnen anschaut ..."
(Jürgen Weber)

Bock und Nymphe
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Das bittersüße ehlich Leben
Für das Gedicht vom "Bitter süßen ehlich Leben" von Hans Sachs hat Jürgen Weber einen zweifarbigen Marmorstein ausgesucht und so bearbeitet, dass die grünen Anteile die Blätter und Früchte, der rote Marmor aber das Herz darstellen.
Bleibt noch zu ergänzen, dass der 1984 aufgestellte Brunnen von Jürgen Weber sich heute in die bedeutenden Nürnberger Sehenswürdigkeiten einreiht. Und wer weiß, vielleicht überwiegt in der Ehe ja doch das Positive, wie die an mehreren Stellen zu entdeckenden Rosen andeuten?

Rosen, Früchte, Herz
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Das bittersüße ehlich Leben

Gott sei gelobet und geehrt,
Der mir ein frumb Weib hat beschert,
Mir der ich zwei und zweinzig Jahr
Gehaust hab, Gott gab länger gar,

Wiewohl sich in mein ehling Leben
Hat Süß und Saures oft begeben,
Gar wohl gemischt von Freud und Leid,
Erst auf, dann ab, ohn Unterscheid.

Sie hat mir nit stets kochet Feigen,
Will schwankweis Dir ein Teil anzeigen.
Sie ist ein Himmel meiner Seel,
Sie ist auch oft mein Pein und Hell,

Sie ist mein Engel auserkoren,
Ist oft mein Fegeteufel woren,
Sie ist mein Wünschelrut und Segen,
Ist oft mein Schauer und Platzregen,

Sie ist mein Mai und Rosenhag,
Ist oft mein Blitz und Donnerschlag,
Mein Frau ist oft mein Schimpf (1) und Scherz,
Ist oft mein Jammer, Angst und Schmerz,

Sie ist mein Wonn und Augenweid,
Ist oft mein Traurn und Herzeleid,
Sie ist mein Freiheit und mein Wahl,
Ist oft mein Gfängnis und Notstall,

Sie ist mein Hoffnung und mein Trost,
Ist oft mein Zweifel, Hitz und Frost,
Mein Frau ist meine Zier und Lust,
Ist oft mein Graun und Suppenwust,

Ist oft mein königlicher Saal,
Doch auch mein Krankheit und Spital,
Mein Frau, die hilft mir treulich nähren,
Thut mir auch oft das Mein verzehren,

Mein Frau, die ist mein Schild und Schutz,
Ist oft mein Frevel, Poch (2) und Trutz.
Sie ist mein Fried und Einigkeit,
Und oft mein täglich Hebenstreit,

Sie ist mein Fürsprech und Erlediger,
Ist oft mein Ankläger und Prediger.
Mein Frau ist mein getreuer Freund,
Oft worden auch mein größter Feind,

Mein Frau oft mietsam (3) ist und gütig,
Sie ist auch zornig oft und wütig,
Sie ist mein Tugend und mein Laster,
Sie ist mein Wund und auch mein Pflaster,

Sie ist mein Herzens Aufenthalt,
Und machet mich doch grau und alt.

Hans Sachs, 1494-1576

1) Schimpf = Spaß, 2) Poch = Stolz, 3) Hebenstreit = Streitanheber
4) mietsam = friedfertig



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