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Figuren und Reliefs in aller Welt: Rom
Zehn Engel auf der Brücke: Die Engelsbrücke - Ponte Sant'Angelo - in Rom
Im Jahr 136 u. Z. ließ Kaiser Hadrian am Tiberufer ein gewaltiges Grabmal/Mausoleum für sich und die Kaiserfamilie sowie eine Brücke über den Fluss erbauen. Im Mittelalter wurde das Grabmal zur Festung ausgebaut, Brücke und Festung erhielten die Namen Engelsbrücke bzw. Engelsburg, benannt nach dem Erzengel Michael und den Engelfiguren der Brücke.
"Unter dem kurzen Ponifikat von Clemens IX. Rospigliosi (1667-1669) kam es zur Realisierung eines der spektakulärsten Projekte des römischen Barock, das allerdings erst 1672 unter Papst Clemens X. abgeschlossen wurde." (1) Vermutlich war es der berühmte und tief religiöse Bildhauer Gian Lorenzo Bernini (1598-1680) selbst, der den Vorschlag unterbreitete.
"Das Skulpturenprogamm der Brücke ist (...) eine Heilige Versammlung, in der die Engel nacheinander alle Werkzeuge des Martyriums Christi vorführen und damit Zeugnis geben vom Opfer des Erlösers und seiner Menschwerdung. (...)"
"Bernini gestaltete die Engelsbrücke als monumentalen Kreuzweg, auf dem die soeben vom Himmel herabgestiegenen Engel den Gläubigen die unwiderlegbare Wahrheit des Evangeliums und des göttlichen Heilsplans vor Augen halten. Zugleich wird die Brücke zur päpstlichen Zitadelle durch die Engel zu einer Paradiesstraße ins himmlische Jerusalem (...). Die gebauschten Gewänder der Engel erklären sich von selbst: Es ist der direkt von Gott herrührende Wind, der die Gefühle in Aufruhr bringt und die Herzen der Gläubigen erschüttert." (1)
Bernini entwarf auch eine neue Brüstung für die alte Brücke. Diese offene Brüstung mit Bronzegittern zwischen niedrigen Pfeilern wirkte wesentlich eleganter als die vorhergehende Steinmauer.
Paulus
Petrus
Schauen wir uns die Skulpturen im einzelnen an. Wir beginnen auf der eigentlichen Stadtseite von Rom und begeben uns wie die früheren Pilger hinüber zur Leonischen Vorstadt mit Engelsburg und Peterskirche. Am Brückenkopf stehen seit 1530 die beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus. Papst Clemens VII. ließ sie an der Stelle zweier ehemaligen Kapellen errichten, die an das Unglück im Jahr 1450 erinnerten. In diesem Jahr waren das Gedränge und der Pilgerstrom so groß, dass auf der Brücke das Geländer brach und bei der Panik 170 Menschen ums Leben gekommen sein sollen. (2)
Unter Papst Clemens IX. sollte die Brücke nun dauerhaft verschönert werden. Bernini entwarf das Konzept und fertigte wahrscheinlich auch Skizzen für einzelne Figuren an, doch die Bildhaueraufträge wurden an verschiedene Künstler vergeben. "Der Einfluß, den er (Bernini) auf die Bildhauer Roms, ja des ganzen Abendlandes, erlangt hatte, war so groß, daß sie alle in seinem Sinne arbeiteten. Er selber behielt sich zwei der Statuen vor: den Engel mit der Dornenkrone und den Engel mit dem Schriftband*). Er führte sie eigenhändig aus, schon ein Siebzigjähriger. Den Meißel zu handhaben, den Stein wie ein lebendiges Material zu spüren, das Unwahrscheinliche an vorsichtigen und kühnen Unterscheidungen und Freilegungen zu leisten, das war sein Ruhm seit dem achtzehnten Lebensjahr. (...)" (2)
*) Diese beiden Statuen auf der Brücke sind Kopien, die Originale von Bernini befinden sich in der Kirche St. Andrea delle fratte, immerhin soll Bernini die eine "Kopie" auf der Brücke, den Engel mit dem Schriftband, dann doch selbst wieder gefertigt haben.
Die Engel "mussten die Leidenswerkzeuge tragen, die »Mysterien der Passion unseres Herren Jesus Christus«, wie der lateinische und der italienische Ausdruck lautet, und zwar so geordnet, dass sie wie die Stationen eines Kreuzweges benutzt werden konnten, also beginnend mit Geißel und Geißelsäule und endend mit dem Essigschwamm auf dem Rohre (der letzten Labung vor dem Verscheiden) und mit der Lanze (mit welcher nach Christi Tode seine Seite geöffnet ward). Jedem Engel wurde ein lateinischer Spruch aus dem Alten Testament mitgegeben." (2)
Antonio Raggi und Lazzaro Morelli - Der Engel mit der Säule und der Engel mit der Geißel
Die Säule, die der Engel hält, soll diejenige darstellen, an die Christus bei der Geißelung angebunden war. Der andere Engel präsentiert die Geißel.
Cosimo Fancelli - Der Engel mit dem Schweißtuch der Veronika und Paolo Naldini/Giov. Lorenzo Bernini - Der Engel mit der Dornenkrone
Veronika soll der Überlieferung nach das Gesicht Jesu von Blut und Schweiß abgewischt haben, als er das Kreuz zur Hinrichtungsstätte trug. Der Engel zeigt das Tuch, in dem sich das Antlitz des Gekreuzigten abgebildet haben soll. Voller Ehrfurcht, mit vorsichtiger Inbrunst und geradezu mystischem Schreck hält der zweite Engel die Dornenkrone. Die Skulptur ist eine Kopie, Naldini soll sie nach Bernini angefertigt haben. Inwieweit Bernini selbst an der Kopie beteiligt war, ist nicht entschieden.
Paolo Naldini - Der Engel mit dem ungenähten Rock und den Würfeln und Girolamo Lucenti - Der Engel mit den drei Nägeln
Der Überlieferung nach würfelten die römischen Soldaten um den Rock Christi, der keine Naht gehabt haben soll.
Der andere Engel hält zwei der Nägel, mit denen Christus ans Kreuz genagelt wurde, in der linken Hand, die rechte Hand mit dem dritten Nagel ist leider beschädigt.
Der andere Engel hält zwei der Nägel, mit denen Christus ans Kreuz genagelt wurde, in der linken Hand, die rechte Hand mit dem dritten Nagel ist leider beschädigt.
Giov. Lorenzo Bernini/Giulio Cartari - Der Engel mit dem Kreuzestitel
Wie auf einer Schriftrolle wird der am Kreuz befestigte Titel INRI präsentiert. Bei der Skulptur handelt es sich um die Kopie, die Bernini selbst angefertigt haben könnte. Offiziell wurde mit der Kopie aber Giulio Cartari, der auch als Zahlungsempfänger auftaucht, beauftragt. Hat Bernini die Kopie vielleicht heimlich angefertigt? Zuzutrauen wäre ihm das, schließlich wollte er (seinen Worten nach) unbedingt seine eigene Skulptur auf der Brücke sehen. Der Engel auf der Brücke ist im Vergleich zum Original in der Kirche leicht verändert. "Alle Änderungen lassen sich begreifen aus der Notwendigkeit, das überzarte Gebilde der Kirchenengel zu kräftigen und zu vereinfachen für die Stellung in Wind und Wetter. Auch der Engel mit der Dornenkrone ist in der Brückenausführung sehr vereinfacht, wenn auch nicht so stark umgesetzt wie dieser Engel mit dem Kreuzestitel." (2)
Die Skulptur "Engel mit dem Kreuz" wurde von Ercole Ferrata geschaffen:
Antonio Giorgetti - Der Engel mit dem Essigschwamm und Domenico Guide - Der Engel mit der Lanze
Den Erzählungen im Neuen Testament nach reichte ein römischer Soldat, als Jesus kurz vor seinem Tod noch die Worte sprach "mich dürstet", einen mit Essig getränkten Schwamm an einem Stock. Mit der Lanze stieß ihm ein anderer Soldat dann in die Seite, um Jesu Tod festzustellen. Die Engel mit diesen beiden Leidenswerkzeugen bilden folgerichtig den Abschluss der heiligen Versammlung.
Am Ende der Brücke angelangt führt der Weg scharf am Engel mit dem Essigschwamm vorbei nach links, um zur Peterskirche zu gelangen. Rechts erhebt sich die gewaltige Festung der Päpste (die Engelsburg ist heute ein Museum), bekrönt vom Erzengel Michael, der sein Schwert zurück in die Scheide steckt. Wir aber folgen dem Touristenstrom zum Petersdom - doch davon später...
(wird fortgesetzt...)--------------------
Literatur und Quellen:
1) Marco Bussagli (Hrsg.), Rom, Die goldenen Jahrhunderte, h.f.ullmann, 2009
2) Hans Gerhard Evers, Die Engelsbrücke in Rom von Giovanni Lorenzo Bernini, Aufsatz, Der Kunstbrief Nr. 53, Gebr. Mann, Berlin 1948, pdf-Datei unter https://archiv.evers.frydrych.org/download.php?file=schriften/evers-schriften_S067_engelsbruecke-bernini.pdf
--------------------1) Marco Bussagli (Hrsg.), Rom, Die goldenen Jahrhunderte, h.f.ullmann, 2009
2) Hans Gerhard Evers, Die Engelsbrücke in Rom von Giovanni Lorenzo Bernini, Aufsatz, Der Kunstbrief Nr. 53, Gebr. Mann, Berlin 1948, pdf-Datei unter https://archiv.evers.frydrych.org/download.php?file=schriften/evers-schriften_S067_engelsbruecke-bernini.pdf
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