Extras - Figuren und Reliefs in aller Welt: Bronzetüren


Die Bronzetür am Dom zu Gnesen (Gniezno): Der heilige Adalbert

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Boleslaw der Tapfere
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Dom in Gnesen
In Gnesen befinden wir uns an einer Stelle der ältesten Geschichte Polens. Der Sage nach soll einst Stammvater Lech nach langer Wanderung sein "Nest" auf dem Hügel gebaut haben, heute erhebt sich an dieser Stelle die (barock umgebaute) Kathedrale der "Himmelfahrt Mariens". Im Jahr 1000 fand hier ein bedeutsames Ereignis statt: Kaiser Otto III. hatte eine Pilgerfahrt zu den Gebeinen des von ihm hoch verehrten Heiligen Adalbert unternommen und sich mit dem polnischen Herzog Boleslaw dem Tapferen (Bolesław Chrobry, 967-1025) getroffen. Otto III. nannte Boleslaw seinen "Freund und Mitstreiter". Im sogenannten "Akt von Gnesen" wurden das gleichnamige Erzbistum (es ist das älteste polnische Bistum) eingerichtet und diesem die Bistümer Krakau, Breslau und Kolberg unterstellt. Boleslaw wurde mit königlichen Rechten versehen, so dass Historiker darin auch die Erhebung zum 1. polnischen König sehen. (Boleslaw wurde kurz vor seinem Tod 1025 ein weiteres Mal gekrönt.)
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Grabmahl des hl. Adalbert
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Die berühmte Bronzetür
Bis heute ist die Kathedrale ein wichtiger Wallfahrtsort, nicht zuletzt wegen des Grabmahls des verehrten Heiligen Adalbert.
Boleslaw hatte 997 die Gebeine des von den Pruzzen ermordeten Adalbert zurückgeholt (der Legende nach wurde sein Körper mit Gold aufgewogen) und sie in Gnesen feierlich bestatten lassen. Auf der Bronzetür an der Südseite des Domes wird die Lebensgeschichte des Heiligen dargestellt. Diese Tür ist zweifellos das bedeutendste romanische Kunstwerk in Polen und stellt einen absoluten Höhepunkt der wenigen mittelalterlichen Bronzetüren dar.

Schauen wir uns die Tür etwas genauer an!

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Bild "Gnesen_Detail_links1_09.jpg"Bild "Gnesen_Detail_links1_09a.jpg"Aus dem Leben des Hl. Adalbert
Der linke Türflügel wird von unten nach oben gelesen:
Die folgende Beschreibung ist angelehnt an Goldschmidt, Hamann (1)
1) Geburt: Zwei Arkaden teilen das Bildfeld, links sitzt die Wöchnerin im Bett, eine Dienerin bringt Essen. Rechts wird das Kind, das ursprünglich den Namen Woytech erhielt, von zwei Frauen gebadet.

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2) Weihe und Heilung: Die Eltern, von einer Amme begleitet, bringen das kranke Kind in die Kirche und weihen es der Jungfrau Maria. Der Vater (mit Kapuze) lässt es segnen, das Kind wird geheilt.
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3) Schule: Die Eltern bringen ihr Kind in die Domschule nach Magdeburg, zu Erzbischof Adalbert, der den neuen Schüler nach sich benennt. Octricus, sein Lehrer,  nimmt den Knaben in Empfang.
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4) Gebet: Adalbert erweist sich als gelehriger und frommer Schüler. Er bekommt die Priesterweihen und verrichtet Gebete an den Gräbern und Kapellen der Märtyrer.

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5) Investitur: Kaiser Otto II. ernennt Adalbert zum Bischof und übergibt ihm den Bischofsstab. Hinter dem Kaiser steht ein Schwertträger. Vier Geistliche begleiten Adalbert.
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6) Austreibung eines Dämons: Adalbert wird schließlich Erzbischof von Prag. Zu ihm wird ein vom Dämon Besessener geführt. (Links stehen dessen bekümmerte Eltern.) Adalbert kann den Besessenen heilen, der böse Dämon entweicht aus dem Mund.
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7) Traum: Christus erscheint Adalbert im Schlaf und der erfährt vom Handel mit Sklaven...
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8) Anklage: Adalbert steht vor dem Herzog Boleslaw und klagt zwei Juden (gekennzeichnet durch spitze Hüte) an, die zwei (gefesselte) Sklaven bei sich haben. (Man beachte hier die künstlerisch gelungene Umsetzung bezüglich der Anzahl der Beine!)
9) Zerbrochene Krüge: Später dient Adalbert in einem Kloster und bedient die Mönche. Dabei fallen Tonkrüge herunter... Als jedoch der Krug mit dem Wein unversehrt bleibt, wundern sich die Mönche.

Der rechte Türflügel wird von oben nach unten gelesen und enthält die Mission und das Martyrium:

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10) Anlandung: Adalbert und seine Gefährten kommen mit dem Schiff im Land der Pruzzen an. Die stehen mit Schilden, Schwertern und Lanzen bewaffnet am Ufer und zeigen auf das Schiff. Ihre herabhängenden Schnurrbärte geben ihnen ein wildes Aussehen.
11) Taufe: Adalbert startet seine Mission mit dem Taufen der Pruzzen. Die haben offenbar nichts dagegen und sind unbewaffnet.
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12) Predigt: Adalbert predigt wortgewaltig zu den Pruzzen. Der Anführer (mit Stab) wendet sich ab, Unruhe kommt auf, die Pruzzen diskutieren heftig.
13) Messe: Adalbert hat einen Altar gebaut und zelebriert die Messe. Jetzt sind die Pruzzen bewaffnet und augenscheinlich vom Geschehen nicht begeistert.
14) Der Mord: Adalbert ist auf die Knie gesunken, einer schlägt ihm mit der Axt den Kopf ab, ein zweiter stößt ihm eine Lanze in den Rücken. Entsetzt fliehen Adalberts Begleiter.
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15) Der Leichnam: Adalberts Kopf ist auf einen abgeholzten Baum gespießt, der Körper auf der Bahre wird den Vögeln zum Fraß gegeben, doch ein Adler bewacht ihn.
16) Auslösung: Herzog Boleslaw Chrobry (links, hinter ihm sein Schwertträger) ist gekommen und löst Adalberts Körper mit dem gleichen Gewicht in Gold aus.
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17) Überführung: Der Leichnam Adalberts wird feierlich nach Gnesen überführt, der Bischof schwingt das Weihrauchfässchen. Hinter dem Zug folgen Herzog Boleslaw und seine Gemahlin. Bei der Überführung geschehen Wunder, zwei Kranke am Weg werden geheilt.
18) Beisetzung: Adalbert wird mit großer Zeremonie in Gnesen zur Ruhe gebettet. Herzog Boleslaw steht trauernd dabei.

Goldschmidt (1) schreibt:
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Es gibt "wenig Werke romanischer Reliefplastik dieser frühen Zeit, die besonders dem Meister des rechten Flügels an Qualität gleichkommen. Welch vornehme Ruhe und Klarheit liegt in dem Traum des Heiligen, in den gleichmäßigen wohlklingenden Kurven von Vorhang, Decke und Himmelsglorie. Wie gut weiß er die Steigerung des Dramas in der Gruppe der Heiden wiederzugeben, die zunächst ruhig auf die Ankunft des Heiligen deuten, dann demütig der Taufe beiwohnen. Bei der Predigt der neuen Lehre aber regt sich ihr Zweifel und der Führer hat seine Lanze schon wieder aufgenommen. Bei der Messe sind sie gerüstet, und der Wildeste mit zottigen Haarsträhnen steht zu vorderst, und endlich folgt der Mord.
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Als Bild ist gerade dies letztere besonders eindrucksvoll, die gut komponierte Mittelgruppe, die kraftvolle Stellung der Mörder, Zögern, Angst und Schmerz in der fliehenden Gruppe der Begleiter. Fast sentimental wirkt die einsame Aufstellung des Leichnams mit dem paradierenden Adler vor dem ernsten Haupt auf dem Pfahl."

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Literatur:
1) Goldschmidt, Adolph; Hamann, Richard (Hrsg.): Die frühmittelalterlichen Bronzetüren (Band 2): Die Bronzetüren von Nowgorod und Gnesen, Marburg a. L., 1932
Digitalisat der Universitätsbibliothek Heidelberg, http://digig.ub.uni-heidelberg.de/diglit/hamann1932bd2/001
https://doi.org/10.11588/diglit.41457

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