Extras: Kunstwerke, Figuren und Reliefs in aller Welt: Glasmalerei

Mittelalterliche Glasfenster im Dom zu Stendal - Teil 1


Bild "Stendal_Dom01_01.jpg"Bild "Stendal_Dom01_02.jpg"
Die Glasmalereien im Dom St. Nikolaus zu Stendal stellen einen unglaublichen Schatz dar. Im Festjahr 2024 gab es unter dem Titel:

Kathedrale des Lichts - 600 Jahre gotischer Dom Stendal

eine Vielzahl von Veranstaltungen mit Festgottesdiensten, Vorträgen, Ausstellungen und neuen Publikationen, die das einzigartige Kurlturerbe der Stendaler Glasmalereifenster überregional ins Bewusstsein brachten. Die folgenden Seiten sollen einen kleinen Beitrag dafür leisten und die Freude am Entdecken dieses Schatzkästleins befördern. Gehen wir hinein!

Bild "Stendal_Dom01_03.jpg"Bild "Stendal_Dom01_04.jpg" Bild "Stendal_Dom01_05.jpg"

Mehrere Aufsteller im Innern erleichtern uns den Zugang zu diesem Schatz aus Glas. Der folgende Text ist einem solchen Aufsteller entnommen.
Bild "Stendal_Dom01_07.jpg"Bild "Stendal_Dom01_06.jpg"
Fenster im Chor
"Gleichzeitig mit dem Bau des gotischen Domes begannen Künstler und Kunsthandwerker mit der Herstellung eines Glasmalereizyklus für die Fenster im Hohen Chor. Für den Inhalt und die Anordnung der zwölf Chorfenster lag den Glaskünstlern ein theologisch wohl durchdachtes Bildprogramm vor. Man darf vermuten, dass Domstiftsdechant Dietrich von Angern dafür verantwortlich war. Dieses ursprüngliche Bildprogramm lässt sich auch heute - trotz mancher Verluste und unsachgemäßer Eingriffe im Laufe der Jahrhunderte - noch gut erkennen und nachvollziehen. Im Zentrum des christlichen Glaubens stehen Leben, Sterben und Auferstehung Jesu Christi. Deshalb hat das Christusfenster in der Mitte, im Chorscheitel, seinen Platz bekommen.
Zu seiner Linken und Rechten folgten ursprünglich vermutlich nur Fenster mit Personen aus dem Neuen Testament sowie Heilige. An ihnen wird sichtbar, wie ein Leben in der Nachfolge Christi aussehen kann. Da der Hohe Chor auf Grund des Lettners den Blicken der Laien weitgehend entzogen war, darf man vermuten, dass die Fenster insbesondere für die zum Gebet versammelten Geistlichen als Hilfe zur Meditation dienen sollten."

Bild "Stendal_Dom_3_Chorfenster_02.jpg"

"Auf den 22 Glasmalereifenster zeigen sechs Fenster wichtige Themen aus dem Leben Christi. Auf acht Fenstern sind Szenen mit ausgewählten Personen aus biblischen Texten zu sehen.
Bild "Stendal_Dom01_08.jpg"
Anordnung der Chorfenster
Weitere acht Fenster vermitteln Schicksale von solchen Frauen und Männern, die durch ihre Standhaftigkeit während der Christenverfolgungen in den ersten drei Jahrhunderten Vorbilder waren und deshalb als Heilige verehrt wurden. Literarische Grundlage für die jeweiligen Bildszenen sind Texte aus dem Neuen Testament sowie aus den überlieferten Legenden, die über das Leben der Heiligen erzählt wurden."
(Text (kursiv) dem Aufsteller entnommen, Autor: Dr. Reinhard Creutzburg)

Schauen wir uns zuerst die Christusfenster an, deren Bilder aus dem Leben Christi erzählen. Diese sind allerdings nicht chronologisch in einer Reihe angeordnet sondern in Schiff, Querhaus und Chor verteilt. Die Nummerierung der Fenster folgt einem einfachen Schema: Das zentrale Fenster im Chorscheitel (im Osten) bekommt die (röm.) Ziffer I, von ihm aus gesehen werden die Fenster rechts über Süd in Richtung Westen fortlaufend gezählt mit s-II, s-III usw., links über Nord nach Westen wird vom zentralen Fenster I neu angefangen mit n-II, n-III usw. Gelesen werden die Fenster meist von unten nach oben.

Die Christusfenster im Dom zu Stendal

Bild "Stendal_Dom_01_s7_Adventfenster_06.jpg"
Verkündigung
Die Erzählung beginnt im südlichen Querhaus mit dem sogenannten "Adventsfenster" (s-VII), das die Verkündigung und die Heimsuchung zum Inhalt hat. Fortgesetzt wird die Geschichte im "Weihnachtsfenster" (s-VIII) mit den Szenen Anbetung der Hirten und Anbetung der Könige, um dann im Chor mit dem "Christusfenster" (I) die wichtigsten Ereignisse in Jerusalem (Einzug, Abendmahl, Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt) zu zeigen. Das "Passionsfenster" mit der Beweinung und Grablegung Christi finden wir im nördlichen Querhaus (n-X). Vervollständigt wird die Erzählung mit dem sogenannten "Credofenster" (n-VI), wo wir z. B. sehen, wie Christus Adam und Eva aus der Vorhölle holt und mit dem sogenannten "typologischen Fenster" (s-V), bei dem Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament miteinander verknüpft werden.

1. Das Adventsfenster (s-VII)


Bild "Stendal_Dom_01_s7_Adventfenster_02.jpg"     Architektur:
     Die bekrönende phantastische Architektur (Anf. 15. Jh.) ge-
     hörte ursprünglich wahrscheinlich zu einem anderen Fenster.
     Original hat sich aber die mittelalterliche Marienfigur
     der Verkündigung erhalten. Die anderen Fenster wurden
     bei der großen Restaurierung ergänzt, eine ursprüngliche
     noch im 19. Jh. erwähnte Geburtsszene fehlt jedoch voll-
     ständig. Stattdessen ist bei der Restaurierung 1905 die
     Heimsuchung ergänzt worden.
Bild "Stendal_Dom_01_s7_Adventfenster_03.jpg"     Heimsuchung:
     Maria besucht ihre Verwandte Elisabeth, die ebenfalls auf wun-
     derbare Weise schwanger geworden ist. Elisabeth bekommt ih-
     ren Sohn Johannes, der später der Täufer genannt werden wird,
     noch vor Maria. Zwei Männer, Zacharias (Johannes' Vater) und
     Joseph, sind ebenfalls anwesend. Alle blicken auf Maria. Ahnen
     sie etwas? Es wird erzählt, dass das ungeborene Kind im Leib
     der Elisabeth vor Freude gehüpft haben soll, als Maria erschien.
Bild "Stendal_Dom_01_s7_Adventfenster_04.jpg"     Verkündigung:
     Der Erzengel Gabriel verkündet der Jungfrau Maria die
     Geburt eines Sohnes. (Schriftband, sogenannter "Engl.
     Gruß". Maria wendet sich ihm zu, sie kniet und hat
     wohl gerade in einem Buch gelesen. Der Heilige Geist
     ist als Taube voll im Anflug.
     Links weisen die weißen Blumen auf Marias Reinheit hin.


2. Das Weihnachtsfenster (s-VIII)


Bild "Stendal_Dom_02_s8_Weihnachtsfenster_02.jpg"      Dekoration und Ergänzungen:

     Bei diesem Fenster wurden 1903/1905 große Teile durch
     das Königliche Institut für Glasmalerei Berlin neu
     geschaffen.

     Dabei wurde die Szene mit der Anbetung der Könige stark,
     die Szene mit der Anbetung der Hirten vollständig ergänzt.
Bild "Stendal_Dom_02_s8_Weihnachtsfenster_03.jpg"      Anbetung der Könige:
     Ein Stern wies den dreien den Weg, hier leuchtet er direkt
     über Maria. Die Szenerie ist glanzvoll, denn es sind Könige,
     die dem Kind ihre Geschenke überbringen. Sie haben Kronen
     und tragen prunkvolle Gewänder. Der mittlere öffnet gerade
     ein Kästchen, es ist voller Goldstücke. Jesus wendet sich
     dem Überbringer zu und auch Joseph schaut interessiert...
Bild "Stendal_Dom_02_s8_Weihnachtsfenster_04.jpg"      Anbetung der Hirten:
     Wären nicht Ochs' und Esel an der Futterkrippe,
     könnte man kaum annehmen, dass es sich um einen
     Stall handelt. Auch hier ist das Ambiente prächtig.
     Zwei Hirten sind gekommen, um das Kind anzubeten,
     ein Engel hatte es ihnen verkündet.
Bild "Stendal_Dom_02_s8_Weihnachtsfenster_05.jpg"      Die Ergänzungen passen sich künstlerisch hervorragend
     ein, doch entsprechen sie voll dem Zeitgeist um 1900.


3. Das Christusfenster (I)


Es ist das wichtigste Fenster im Hohen Chor, denn es enthält die zentralen Themen der Heilsgeschichte:  Christi Opfertod am Kreuz, Auferstehung, Himmelfahrt und letztlich Erlösung. Das Bild der Kreuzigung im Zentrum wirkt weit in das Kirchenschiff hinein. Man kann sich gut vorstellen, dass dieses Fenster in der Chorwerkstatt nach 1425 als erstes geschaffen und eingesetzt wurde. Leider sind von den fünf Szenen der Passionsgeschichte nur die Kreuzigung und in den oberen Bildern ein Teil der Architekturdarstellungen noch mittelalterlich, alle anderen Bildfelder sind Neuschöpfungen von 1887/88, der Einzug in Jerusalem ist wahrscheinlich noch später (zwischen 1905 und 1915) ergänzt worden.

Bild "Stendal_Dom_03_1_Christusfenster_01.jpg"      Das Fenster zeigt Ereignisse der letzten Tage von Christus
     auf der Erde; es beginnt unten mit dem Einzug in Jerusalem
     (Palmsonntag) und endet oben mit der Himmelfahrt.

     Aus einer phantastischen Architektur ragt die Hand Gottes
     heraus, weist auf das Geschen hin und zieht Christus gerade-
     zu nach oben. Denn dort wird er neben Gott den Thron be-
     steigen. "Es ist vollbracht."
Bild "Stendal_Dom_03_1_Christusfenster_02.jpg"      Himmelfahrt:
     Angetan mit einem Purpurmantel schwebt Christus im
     Strahlenkranz nach oben, gen Himmel. Die Jünger schauen
     verwundert nach, Johannes liegt betend am Boden.
Bild "Stendal_Dom_03_1_Christusfenster_03.jpg"      Auferstehung:
     Mit Kreuzstab und Segensgruß steigt Christus aus dem
     Grab. Ein Engel hat hier geholfen, den schweren Deckel
     beiseite zu schieben. Die zwei schlafenden Wächter haben
     nichts bemerkt, ein dritter wundert sich.
     Die Auferstehung ist Kern der christlichen Lehre
     und wird Ostern gefeiert.
Bild "Stendal_Dom_03_1_Christusfenster_04.jpg"      Kreuzigung:
     Mit drei dicken Nägeln ist er angenagelt, der Schrift-
     zug über ihm lautet "INRI", die Abkürzung für
     "Jesus von Nazareth, König der Juden".
     Unten neben ihm stehen Maria mit einem Tuch und
     Johannes mit einem roten Buch. Am Fuße des Kreuzes
     liegen Gebeine, sie sind ein Symbol für den über-
     wundenen Tod. Oben schauen zwei Gestalten des Alten
     Testaments (König David rechts, Jeremia links) mit
     Schriftbändern aus der Architektur. Die Proheten des
     Alten Testaments haben das Geschehen vorhergesagt.
Bild "Stendal_Dom_03_1_Christusfenster_05.jpg"      Das letzte Abendmahl:
     Jesus, in der Mitte der Tischrunde, hebt gerade seinen Kelch -
     er weiß, dass Judas ihn in der kommenden Nacht verraten
     und Petrus ihn verleugnen wird. Die Jünger sind bestürzt,
     und Johannes legt seinen Kopf an Jesu Brust.
     Nur einer (vorn) hat keinen Heiligenschein und scheint eher
     teilnahmslos; schaut man genau hin, kann man in seiner linken
     Hand einen Beutel mit der (röm.) Zahl XXX erkennen. Das ist
     Judas, der Jesus für 30 Silberlinge ausliefern wird.
Bild "Stendal_Dom_03_1_Christusfenster_06.jpg"      Einzug in Jerusalem:
     Auf einem Esel zieht Jesus triumphal in die Stadt ein,
     die Menge bereitet ihm einen begeisterten Empfang. Palm-
     zweige werden geschwenkt, Mäntel auf dem Boden ausgebrei-
     tet, links kniet hingebungsvoll ein blumengeschmücktes
     Mädchen auf dem Boden. Noch sind links die Jünger ob der
     jubelnden Menge sehr verwundert.
Bild "Stendal_Dom_03_1_Christusfenster_07.jpg"      Das Christusfenster wurde nach der Auslagerung im 2. Welt-
     krieg als erstes Fenster 1949 wieder eingesetzt.
  
  

4. Das Passionsfenster (n-X)

Bild "Stendal_Dom_04_n10_Passionsfenster_01.jpg"
Das Passionsfenster im nördlichen Querschiff ist mit den Abmessungen 3,30 m x 13,50 m das größte Fenster im Stendaler Dom. Es wird auch Abendfenster genannt, da es einmal im Sommer von der untergehenden Abendsonne beleuchtet wird und auch Ereignisse darstellt, die am Abend stattgefunden haben sollen. In drei großen Bildern wird die Passion fortgesetzt und es wird von der Beweinung Christi nach der Kreuzabnahme, von seiner Grablegung und von seiner Auferstehung erzählt. Dass sich die Themen mit denen anderer Fenstern überschneiden oder wiederholen, ist durchaus beabsichtigt.
Das Fenster, das seinen Standort schon immer im Querhaus hat, entstand in den 1480er Jahren, es ist somit das jüngste der mittelalterlichen Glasfenster. Allerdings ist auch hier vieles ergänzt oder neu geordnet worden, doch 14 Scheiben sind vom mittelalterlichen Bestand noch original erhalten.

Bild "Stendal_Dom_04_n10_Passionsfenster_02.jpg"      Alle Fenster im Stendaler Dom zeigen oben eine festliche
     Architektur - diese steht symbolisch für das "Himmlische
     Jerusalem".
Bild "Stendal_Dom_04_n10_Passionsfenster_03.jpg"      Auferstehung:
     Christus, angetan mit Purpurmantel, den Kreuzstab
     in der Hand, steht hoch aufgerichtet in herrscherlicher
     Pose. Die Wächter schlafen entweder, schrecken hoch
     oder, wie hier dargestellt, verdrücken sich schnell.
     Sie kommen mit dem Wunder nicht zurecht.
Bild "Stendal_Dom_04_n10_Passionsfenster_04.jpg"      Zwei Propheten des Alten Testaments verfolgen das
     Geschehen.
Bild "Stendal_Dom_04_n10_Passionsfenster_05.jpg"      Die Grablegung:
     Behutsam wird der in Leichnam in Tücher gewickelt und ins
     Grab gelegt. Sieben Personen sind anwesend: Nikodemus und
     Joseph von Arimathea tragen den Leichnam, Maria ergreift
     noch einmal die Hand ihres Sohnes.
Bild "Stendal_Dom_04_n10_Passionsfenster_06.jpg"      Am Kreuz befindet sich das Schriftband I N R I - Jesus von
     Nazareth, König der Juden.
Bild "Stendal_Dom_04_n10_Passionsfenster_07.jpg"      Die Kreuzabnahme:
     Christus ist vom Kreuz abgenommen (Nikodemus hält noch die
     Zange und die Nägel in der Hand) und wird von den Umstehen-
     den*) betrauert. Die Dornenkrone liegt am Boden, die Frauen
     haben Salbgefäße in den Händen.
Bild "Stendal_Dom_04_n10_Passionsfenster_08.jpg"      

*) Fünf Männer (links) - darunter Joseph von Arimathea, Nikodemus und Johannes (mit Heiligenschein) sowie  drei Frauen (rechts, alle mit Heiligenschein - Maria, Maria Magdalena und Maria Kleophas (Mutter von Jakobus d. J.)

Bild "Stendal_Dom_05_n6_Credofenster_01.jpg"

5. Das Credo-Fenster (n-VI)


Das Fenster zeigt in fünf großen Medaillons Szenen, die dem christlichen Glaubensbekenntnis (Credo) entsprechen. In den Zwickeln befinden sich die Gestalten der Propheten, darunter oben die sogenannten "großen Propheten" Ezechiel, Jeremia, Daniel und Jesaja. Alle Propheten halten Schriftbänder in den Händen.
In diesem Fenster sind 28 Felder original aus dem Mittelalter erhalten.
Bild "Stendal_Dom_05_n6_Credofenster_02.jpg"      "...zu richten die Lebenden und die Toten": Christus sitzt
     als Weltenrichter auf dem Thron, Engel blasen die Posaunen.
     Die Auferstehenden teilen sich in zwei Gruppen, links
     (d.h. rechts von Christus) sehen wir die Erlösten, auf der
     anderen Seite (links von Christus) werden die Verdammten von
     Teufeln weggeführt. Hinter Christus stehen Maria und Johannes
     als Fürbitter. Ganz oben schauen Mond und Sonne zu.
Bild "Stendal_Dom_05_n6_Credofenster_03.jpg"      "...zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters..." - so
     thront Christus jetzt mit Purpurmantel und Zepter im Himmel
     neben Gott. Der hat die Krone auf und die Weltkugel mit Kreuz
     in der einen Hand, mit der anderen segnet er Christus. Engel
     halten einen kostbaren Stoff.
Bild "Stendal_Dom_05_n6_Credofenster_04.jpg"      "...aufgefahren in den Himmel..." - und man sieht nur noch die
     Füße des im Strahlenkranz entschwebenden Christus. Die 12
     Apostel und Maria schauen hinterher. Auf der Erde bleibt
     lediglich ein Fußabdruck zurück.
Bild "Stendal_Dom_05_n6_Credofenster_05.jpg"      "...auferstanden von den Toten am dritten Tage..." - so
     glauben es Christen und feiern Ostern als Sieg über den Tod.
     Christus entschwebt dem Grab im Purpurmantel und mit Kreuz-
     stab, die rechte Hand zum Segensgruß erhoben. Die Wächter
     können es nicht fassen, besonders der mit dem doppelten Mor-
     genstern schaut ziemlich entgeistert.
Bild "Stendal_Dom_05_n6_Credofenster_06.jpg"      "...hinabgestiegen in das Reich des Todes..." - nach seinem
     "Tod" begibt sich Christus mit der Siegesfahne in die Unterwelt
     und holt die ersten Menschen aus der Verdammnis: Er zieht
     Adam und Eva, Kain und Abel und alle anderen Sünder aus dem
     Höllenrachen heraus. Da ärgern sich die hässlichen Teufel
     gewaltig! Einer von den Teufeln hat ein echtes Arschgesicht...
Bild "Stendal_Dom_05_n6_Credofenster_07.jpg"      

6. Das typologische Fenster (s-V)

Bild "Stendal_Dom_06_s5_Typolfenster_01.jpg"
Das Fenster stellt (außer dem obersten Bild) jeweils in den zwei äußeren Bildstreifen (a und c) Szenen aus dem Alten Testament typologisch einer Szene aus dem Neuen Testament im mittleren Bildstreifen (b) gegenüber. Damit soll gezeigt werden, wie die Präfigurationen (Vorausdeutungen) des Alten Testaments in der Passion Christi als Verheißung und Erfüllung, als Typos und Antitypos, einander entsprechen. Solche Deutungsversuche waren im Mittelalter übliche Praxis. Ähnliche Gegenüberstellungen gibt es auch manchmal in anderen Kirchen zu sehen, doch einige der hier zu findenden sind selten und nicht alles passt nahtlos.
Zwar sind etliche Scheiben des Fensters ergänzt und bei der großen Restaurierung 1896/98 neu zusammengesetzt worden, doch ein großer Teil des alten Bestandes ist erhalten. Beim Wiedereinsetzen im Jahr 1960 (alle Fenster waren infolge des 2. Weltkriegs ausgebaut worden) gab es dann noch einmal leichte Veränderungen.

Bild "Stendal_Dom_06_s5_Typolfenster_02.jpg"      





     a) Christi Himmelfahrt: Christus ist in den Wolken verschwunden,
     Maria und die Jünger bleiben zurück, b) Christus in der Man-
     dorla ist Richter und Herr der Welt, c) Pfingstwunder: Aus-
     schüttung des Hl. Geistes (Taube), über den Jüngern erscheinen
     Feuerzungen, sie können jetzt in allen Sprachen predigen.
     Dieser Streifen ist wahrscheinlich neu zusammengesetzt worden.
Bild "Stendal_Dom_06_s5_Typolfenster_03.jpg"      a) Der Prophet Elias fuhr mit einem feurigen Wagen in den
     Himmel, b) Christus entsteigt dem Grab, c) Turmbau zu Babel -
     das ist die Gegenentsprechung zum Pfingstwunder, jetzt sind
     alle Sprachen verwirrt.
Bild "Stendal_Dom_06_s5_Typolfenster_04.jpg"      a) David besiegte den Riesen Goliath mit der Steinschleuder,
     danach enthauptete er ihn, b) Christus hat den Tod besiegt,
     er holt die Ureltern aus der Vorhölle, c) Samson hatte den
     Löwen besiegt indem er ihm das Maul zerriss und statt des
     Juden Mordechai wurde dann Haman an den Galgen gehängt.
Bild "Stendal_Dom_06_s5_Typolfenster_05.jpg"      a) Der Feldherr Joshua ließ den besiegten König von Kanaan
     vom Kreuz abnehmen und beisetzen, b) Christus wird vom Kreuz
     abgenommen, c) König David ließ Saul und seine Söhne vom
     Galgen abnehmen und bestatten.
Bild "Stendal_Dom_06_s5_Typolfenster_06.jpg"      a) Moses errichtete eine eherne Schlange (auf einem kreuzähn-
     lichen Stab), wer zu ihr aufsah, wurde gerettet, b) Christus
     hängt am Kreuz, wer zu ihm aufsieht und ihm (dem Opfer) ver-
     traut, wird ebenso gerettet, c) Abraham wollte Isaak opfern,
     auch der wurde im letzten Moment gerettet.
Bild "Stendal_Dom_06_s5_Typolfenster_07.jpg"      a) Eva wurde aus einer Rippe Adams erschaffen, b) Christus wird
     ans Kreuz gebunden und genagelt, c) Beim Zug durch die Wüste
     schlug Moses Wasser aus einem Felsen
Bild "Stendal_Dom_06_s5_Typolfenster_08.jpg"      a) Abraham ging mit Sohn Isaak gehorsam zur Opferstätte,
     b) Christus trägt das Kreuz zur Richtstätte, c) Jeasaja hatte
     prophezeit, dass im Weltgericht die ungläubigen Völker wie in der
     Kelter zertreten werden, hier ist Christus der "Keltertreter".
Bild "Stendal_Dom_06_s5_Typolfenster_09.jpg"      a) Dem Perserkönig Darius wurde durch seine Geliebte aus Spaß
     die Krone vom Kopf genommen, er unternahm nichts dagegen...
     b) die Römer pressen mit zwei Stangen die Dornenkrone auf Christi
     Kopf, auch der unternimmt nichts dagegen, c) König David wurde
     beschimpft und mit Steinen beworfen, auch er wehrte sich nicht
     und untersagte das Entgegentreten.
Bild "Stendal_Dom_06_s5_Typolfenster_10.jpg"      a) Kinder verspotteten den kahlköpfigen Propheten Elisa, sie
     wurden von ihm verflucht, worauf Bären die Kinder töteten,
     b) Christus wird verspottet und gegeißelt, c) Noah wurde von
     seinem Sohn verspottet, dieser hatte ihn gesehen, als er, teil-
     weise entblößt, seinen Rausch ausschlief.

Bild "2_back.png"  Bild "2_up.png"  Bild "2_next.png"

----------------
Quellen und weiterführende Literatur:
Hannelore Sachs, Stendal, Kunstgeschichtliche Städtebücher, VEB Seemann Verlag, Leipzig, 1967
Karl-Joachim Maerker, Die mittelalterlichen Glasgemälde des Stendaler Domes, Fragen ihrer Erhaltung und Erforschung, in: Denkmale in Sachsen-Anhalt, Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1983
Hannelore Sachs, Der Dom zu Stendal, Das Christliche Denkmal Heft 57, hrsg. von Fritz Löffler, Union-Verlag Berlin, 1985
Karl-Joachim Maercker, Die mittelalterliche Glasmalerei im Stendaler Dom, CVMA (Corpus vitrearum medii aevi), Bd.5, Teil 1, Akademie Verlag Berlin, 1988
Stendal, Dom St. Nikolaus, Ein Führer durch das Bauwerk und seine Ausstattung, Hrsg.: Ev. Stadtgemeinde Stendal, 2002
Martina Sünder-Gaß, Friedrich Carl Eichenberg, Peter Tschammer, Die Glasmalereifenster im Dom St. Nikolaus zu Stendal, Hrsg. Förderkreis Dom St. Nikolaus zu Stendal e. V. und Ev. Stadtgemeinde Stendal, 2004
Rainhard Creutzburg, Markus Schütte, Peter Rogge, Schatz aus Glas - Die Glasmalereifenster im Dom St. Nikolaus zu Stendal, Hrsg. Ev. Stadtgemeinde Stendal, 2024
Aufsteller im Dom zum Festjahr 2024

Bild "2_next.png"
Glasmalerei im Stendaler Dom - Teil 2