
Hintergrundfarbe:
Extras: Kunstwerke, Figuren und Reliefs in aller Welt: Glasmalerei
Mittelalterliche Glasfenster im Dom zu Stendal - Teil 2

"Petrusfenster" (mitte) im Dom zu Stendal
"Die Bildfenster im Stendaler Dom bilden einen Schatz, wie ihn nur wenige Kirchen des deutschen Sprachraums bis in die Gegenwart bewahren konnten. Nicht nur die zwölf hohen Fenster des Chors, auch die sechs breiten Querhausfenster und die östlichen des Südseitenschiffs sind farbig verglast. Besonders Chor und Querschiff präsentieren sich damit als ein Raumkunstwerk höchsten Ranges. In seltener Geschlossenheit erfüllt sie als Lichtwirkung ein farbiges Schweben zwischen Blau und Rot, Grün, Gelb und silbrigem Weiß, das 'noch unvergleichlich viel von dem originalen Eindruck bewahrt'." (1, Maercker)
Tatsächlich ist etwa die Hälfte der Glasscheiben original aus dem Mittelalter erhalten. Über die Jahrhunderte ging vieles verloren, anderes wurde verstreut. Von 1886 bis 1905 erfolgte durch das Königliche Institut für Glasmalerei in Berlin eine mit Sachkennnis und Sorgfalt vorgenommene umfassende Sichtung, Restaurierung, Ergänzung und Neuanordnung der über die Fenster ohne inneren Zusammenhang befestigten Scheiben. Dabei wurde festgestellt, dass die alten Scheiben im wesentlichen von zwei Glasmalereiwerkstätten geschaffen wurden.
Apostel und Heilige

"Barbarafenster" (Detail)
Maercker weiter: "Vieles spricht dafür, dass ... die (durch Verwitterung) in ihrer Transparenz getrübte 'dunkle' Gruppe mit ihren meisten Fenstern für den Domchor geschaffen wurde. Sie folgte offensichtlich einem gemeinsamen, sorgfältig abgewogenen Bildprogramm und stellt auch künstlerisch eine Einheit dar. Mehrere Maler schufen diese Chorfenster voll kleinfiguriger Szenen wechselnd in Bogenrahmungen oder Medaillons. ... (So sind) das Stephanusfenster n-II, das Petrusfenster s-II, das Marienfenster s-III, das Nikolausfenster s-IV (und weitere) ... durch formale und inhaltliche Grundmotive eng miteinander verbunden."
Schauen wir uns ein paar davon genauer an!Das Petrusfenster, s-II

"Petrusfenster", Ausschnitt

Welche Bedeutung dem Petrusfenster zukommt, zeigt seine Lage im Chor: es befindet sich rechts neben dem zentralen Christusfenster. Petrus wurde in Rom mit dem Kopf nach unten gekreuzigt. Er gilt als der erste Bischof Roms, und die Päpste in ihrer langen Reihe berufen sich auf ihn als Nachfolger. Petrus bedeutet auch "Fels" und "auf diesen Fels sollte die Kirche gebaut werden" - so ein Ausspruch Christi. In Stendal wird die Geschichte des Apostelfürsten Petrus in neun Bildern (wie immer von unten nach oben) erzählt.

"Petrusfenster", Ausschnitt
Dabei ist das erste Bild (ganz unten) etwas Besonderes und ohne Vergleich: Christus übergibt zwei riesige Schlüssel an den rechts halb knieenden Petrus und setzt ihn damit als Nachfolger ein. (Warum eigentlich zwei Schlüssel? Nun, einer dient zum Binden, der andere zum Lösen.) Auf der linken Seite erkennt man den vor Christus knieenden Moses des Alten Testaments mit seinen zwei "Hörnern" auf der Stirn. Moses erhielt einst von Gott die Tafeln mit den 12 Geboten und so kann man eine Verbindungslinie vom alten Bund hin zum neuen Bund und zu der an Petrus übergehenden "Schlüsselgewalt" ziehen. Doch wer weiß schon, was die Menschen des Mittelalters wirklich dachten? Christus hält ein (Gesetz-?) Buch in der Hand. Hat er etwa Moses das Gesetz aus der Hand genommen? Und will er jetzt alles seinem Jünger Petrus übergeben? Es könnte ja auch sein, dass in dem Bild der Triumph des Neuen Testaments (Christentum) über das Alte Testament (Judentum) dargestellt werden sollte ... *)
*) Das ist allerdings nur eine Interpretation von mir, sie muss also nicht stimmen - Schauen Sie deshalb lieber selbst in Stendal vorbei und machen Sie sich ihre eigenen Gedanken! - hb
Das Stephanusfenster n-II


Eine weitere prominente Stelle im Chor des Stendaler Domes nimmt das Stephanusfenster ein. Stephanus wird als Diakon und erster Märtyrer besonders verehrt. Viele dem Stephanus geweihte Kirchen in Sachsen-Anhalt gehen bereits auf das frühe Mittelalter zurück, denn nach der Unterwerfung der Sachsen hatte Karl der Große mit der Gründung des Bistums Halberstadt, dessen Schutzpatron Stephanus ist, eine erste Missionswelle der Region initiiert. Stendal gehörte ebenfalls zum Bistum Halberstadt. Im Hochchor des Halberstädter Domes finden wir neben der eindrucksvollen Kreuzigungsszene auch die Darstellung des Halberstädter Patrons Stephanus. Es scheint, dass die Glasmaler der Stendaler Fenster vorher in Halberstadt tätig waren und offensichtlich aus der gleichen Werkstatt kamen. (Maercker)
Das in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts (um 1425) geschaffenen Stendaler Stephanusfenster hat sich schon immer an der Stelle n-II befunden. Das Licht dringt gedämpft durch die Scheiben, sicher eine Folge der jahrhunderte langen Verwitterung, aber auch hervorgerufen durch die relativ dunkle Farbigkeit, die sich vor allem durch Grüntöne auszeichnet.
Das in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts (um 1425) geschaffenen Stendaler Stephanusfenster hat sich schon immer an der Stelle n-II befunden. Das Licht dringt gedämpft durch die Scheiben, sicher eine Folge der jahrhunderte langen Verwitterung, aber auch hervorgerufen durch die relativ dunkle Farbigkeit, die sich vor allem durch Grüntöne auszeichnet.
Stephanus ist der erste der sieben von den Aposteln geweihten Diakonen (Helfer). Durch falsches Zeugnis wurde er der Lästerung des Tempels und der Gesetze bezichtigt und vom Hohen Rat zum Tode durch Steinigung verurteilt. Seine Gebeine wurden 417 aufgefunden und nach legendären Irrfahrten in Rom in der Kirche S. Lorenzo fuori le Mura neben Laurentius beigesetzt. (2)
Das Nikolausfenster, s-IV


Nikolausskulptur am Quer-
hausportal des Domes
Nikolaus ist zweifellos einer der populärsten Heiligen und (fast) jedes Kind kennt ihn bis heute durch den Nikolaustag. Der Brauch geht zurück auf die Geschenke, die Nikolaus zu Lebzeiten den Armen und zum Allgemeinwohl verteilte. Nikolaus war Bischof von Myra (Türkei), er ist um 350 gestorben. Seine Gebeine wurden im Mittelalter nach Bari (Italien) überführt, sein Sarkophag kann dort besichtigt werden. Darüber hinaus ist Nikolaus eine Art "Superheiliger", der zahlreiche Wunder vollbracht haben soll. Das Nikolausfenster in Stendal erzählt ausführlich davon. Nikolaus ist außerdem der Schutzpatron des Stendaler Doms, wahrscheinlich gab es in Stendal sogar zwei Nikolausfenster. Bei der großen Restaurierung wurden die noch vorgefundenen Scheiben neu zu einem Fenster zusammengesetzt und fehlende Teile ergänzt. Leider sind die Szenen im Fenster nicht immer in ihrer zeitlichen Abfolge schlüssig.
--------------------------
Quellen und Literatur:
1) Karl-Joachim Maerker, Die mittelalterlichen Glasgemälde des Stendaler Domes, Fragen ihrer Erhaltung und Erforschung, in: Denkmale in Sachsen-Anhalt, Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1983
2) Hannelore Sachs, Ernst Badstübner, Helga Neumann, Christliche Ikonographie in Stichworten, Koehler & Amelang, Leipzig, 2. Aufl. 1980
Außerdem: siehe vorhergehende Seite!
1) Karl-Joachim Maerker, Die mittelalterlichen Glasgemälde des Stendaler Domes, Fragen ihrer Erhaltung und Erforschung, in: Denkmale in Sachsen-Anhalt, Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1983
2) Hannelore Sachs, Ernst Badstübner, Helga Neumann, Christliche Ikonographie in Stichworten, Koehler & Amelang, Leipzig, 2. Aufl. 1980
Außerdem: siehe vorhergehende Seite!
Der Standort der jeweiligen Fenster ist in den Grundrissskizzen rot eingezeichnet. Der Grundriss wurde entnommen und bearbeitet aus: F. Adler, Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preussischen Staates, 1862
-> weiter zum Teil 3