Extras: Kunstwerke, Figuren und Reliefs in aller Welt: Glasmalerei

Mittelalterliche Glasfenster im Dom zu Stendal, Teil 5: Im südlichen Seitenschiff

Im südlichen Seitenschiff des Domes befinden sich vier Glasfenster. Auf das schon betrachtete Katharinenfenster (siehe Teil 3) folgt in Richtung Westen als nächstes das

Bild "Stendal_Dom_Johannes_01.jpg"

Johannesfenster, s-XI

Bild "Grundriss_s11.jpg"
Die hellen Scheiben weisen darauf hin, dass das Johannesfenster umfangreich durch das königliche Institut für Glasmalerei Berlin (1904/1905) ergänzt wurde. Die mittelalterlichen Teile sind dagegen deutlich dunkler, sie stammen aus der Zeit um 1430. Vermutlich hatte das Johannesfenster seinen ursprünglich Platz im Chorbereich. Johannes ist einer der zwölf Jünger, er soll von Christus den Auftrag bekommen haben alles aufzuschreiben. So sieht man im ersten Fenstermedaillon, wie Johannes an seinem Buch arbeitet, Christus in der Wolke ist bei ihm. Die anderen Medaillons erzählen Begebenheiten aus der Johanneslegende. Die Bildergeschichte ist wie immer von unten nach oben zu lesen.
Bild "Stendal_Dom_Johannes_02.jpg"  Johannes blieb in Ephesos und war fast hundert Jahre alt,
 als Christus ihn rief: "Es wird Zeit, dass du zu mir kommst."
 Johannes ließ neben dem Altar das Grab vorbereiten. Ein
 Engel kam ihn abzuholen. Bei seiner letzten Predigt stieg
 Johannes in das vorbereitete Grab, segnet sterbend noch
 einmal seine Gemeinde und "es war ein großes Licht", so
 dass ihn danach niemand mehr sehen konnte...
Bild "Stendal_Dom_Johannes_03.jpg"

Eine weitere Geschichte aus der Legenda aurea:
 Johannes hatte...

 einen Jüngling bekehrt und diesen in die Obhut des Bischofs
 gegeben (rechts). Doch dort war es dem jungen Mann offenbar
 zu langweilig. Er ging zu den Räubern in die Berge und machte
 steile Karriere als Räuberhauptmann. Als Johannes davon erfuhr,
 reiste er hinterher, um die verlorene Seele zurückzugewinnen...
 Das gelang ihm auch. (Bildmitte)
 Die Räuber (links) sind darob ziemlich verwundert.
.
Bild "Stendal_Dom_Johannes_04.jpg"  Die Wundertaten des Johannes haben überzeugt. Aristode-
 mus und der römische Prokonsul (der die beiden Verbrecher
 zur Verfügung gestellt hatte) lassen sich von Johannes taufen.
Bild "Stendal_Dom_Johannes_05.jpg"

Jetzt wird Johannes aufgefordert, die beiden ...

 toten Verbrecher wieder lebendig zu machen (rechts).
 Er übergibt seinen Mantel Artistodemus, dem heidnischen
 Priester des Artemistempels (Bildmitte). Der soll den
 Mantel über die Toten legen. So geschieht es und die
 beiden werden tatsächlich wieder lebendig. (links)
Bild "Stendal_Dom_Johannes_06.jpg"

In Ephesos kommt es zu Unruhen. Bei den Gebeten des
 Johannes stürzt der Artemistempel ein. Johannes wird
 gezwungen, einen...

 Giftbecher zu trinken. Das Gift war vorher an zwei Verbre-
 chern (rechts) getestet worden. Johannes trinkt den Kelch
 aus und überlebt. Die beiden kleinen Schlangen im Kelch zei-
 gen, wie giftig der Trunk ist.
Bild "Stendal_Dom_Johannes_07.jpg"

Johannes kehrte zu seinem ursprünglichen Wirkungsort
 Ephesos zurück. Doch es gibt einen Trauerfall: Die junge
 Drusiana war verstorben und wird zu Grabe getragen...

 Ihr Wunsch war gewesen, Johannes noch einmal zu sehen.
 Da sprach er (nach der Legenda aureana): "Steh auf Dru-
 siana, geh in dein Haus und bereite mir etwas zu essen!"
 So geschah es. Sie erhob sich, als hätte sie nur
 geschlafen. Dieser Moment ist im Bild dargestellt.
Bild "Stendal_Dom_Johannes_08.jpg"  Der Apostel Johannes arbeitet in der Verbannung an
 seinem Buch, das die Apokalypse ("Offenbarung des
 Johannes") beinhaltet.
 Christus selbst hatte ihm den Auftrag gegeben.
 Ein kleiner Engel flüstert Johannes die richtigen
 Worte ins Ohr.


Bild "Stendal_Dom_Bartholomaeus_01.jpg"

Das Bartholomäusfenster, s-XII

Bild "Grundriss_s12.jpg"
Auch das Bartholomäusfenster - heute im Seitenschiff neben dem Johannesfenster - wurde vermutlich von der Glaswerkstatt um 1430 für den Chor geschaffen. Es ist ebenfalls eines von den sogenannten "dunklen" Fenster. Das königliche Glasinstitut Berlin ergänzte 1904/05 die fehlenden Teile, die sich deutlich als helle Felder abzeichnen. Bartholomäus ist neben Nikolaus der Ko-Patron des Stendaler Domes. Er wird immer mit einem Schindmesser dargestellt, denn mit einem solchen erlitt er sein Martyrium. In sieben Medaillons wird der Legende nach aus seinem Leben erzählt, die Gechichten sind wie immer von unten nach oben zu lesen. Achtung: Triggerwarnung - die Folterungen des Bartholomäus sind einfach entsetzlich.
Bild "Stendal_Dom_Bartholomaeus_02.jpg"  


 Der bekehrte Polimius wird später sogar zum Bischof
 geweiht. Die Szenen links und mitte zeigen ihn auf
 dem Weg in die Kirche.
 Recht: Dieses Bild gehört nicht zur Legende des hl. Bartho-
 lomäus, es ist wahrscheinlich ein Reststück des Nikolaus-
 fensters.
Bild "Stendal_Dom_Bartholomaeus_03.jpg"  Die Gemeinde trauert um Bartholomäus und legt ihn
 (mitsamt Kopf) ins Grab. König Polimius und seine Frau
 sind dabei.
Bild "Stendal_Dom_Bartholomaeus_04.jpg"  Trotzdem hat er irgendwie überlebt, so dass der Henker
 ihn am Ende enthauptet (mitte). Der Kopf liegt schon
 am Boden. Oben nimmt Christus seine Seele auf.
 Links sieht man wild Gestikulierende, die Legende be-
 richtet, dass König Astyages und die heidnische Priester
 wahnsinnig wurden und starben.
Bild "Stendal_Dom_Bartholomaeus_05.jpg"  Links und Mitte: Es ist wirklich grauenvoll, Bartholomäus
 wird bei lebendigem Leib die Haut abgezogen (Schindung).
 (Deshalb wird das (Schind-)Messer zu seinem Attribut.)
 Danach wird er mit dem Kopf nach unten gekreuzigt (rechts).
Bild "Stendal_Dom_Bartholomaeus_07.jpg"  Die heidnischen Priester neiden Bartholomäus den Erfolg.
 Sie wiegeln den feindlichen König Astyages auf, der lässt
 Bartholomäus fangen und foltern. Bartholomäus wird mit
 heißem Öl übergossen (mitte), man sieht die Kessel und das
 Feuer. Rechts: Er wird an die Säule gebunden und gegeißelt.
Bild "Stendal_Dom_Bartholomaeus_08.jpg"  Aus dem Götzenbild im Tempel sprach ein böser Geist.
 Bartholomäus beschwört diesen, der Teufel fährt heraus
 (Mitte) und alle heidnischen Statuen zerbrechen... Das
 überzeugt den König endgültig, er lässt sich von Bartho-
 lomäus taufen (rechts).
Bild "Stendal_Dom_Bartholomaeus_09.jpg"  Bartholomäus wirkte in Indien, Armenien und Mesopotamien.
 Als König Polimius erfährt, wie Bartholomäus Kranken hilft,
 wünscht er, dass auch seine besessene kranke Tochter von
 ihm geheilt wird. Bartholomäus treibt den bösen Geist aus
 (man sieht ihn nach oben entschwinden), Polimius und andere
 sind Zeugen (Bild links u. mitte). Rechts: Bartholomäus
 predigt König Polimius das Christentum.



Das Restfeldfenster, s-XIII

Bild "Grundriss_s13.jpg"
Im unteren Teil des Fensters lesen wir "Die alten Glasmalereien des Domes wurden 1887-1905 im Königl. Institut für Glasmalerei zu Berlin ausgebessert und ergänzt."
Nicht alle der mittelalterlichen Scheiben konnten um 1900 einem Fensterzyklus zugeordnet werden. Folgerichtig wurden die verbliebenen Reste in einem letzten Fenster neu angeordnet und so gut es eben ging ergänzt.

Bild "Stendal_Dom_Restfeldfenster_01.jpg"
 Wie auch bei anderen Fenstern im Stendaler Dom steht
 die festliche Architektur symbolisch für das "Himmlische
 Jerusalem".
Bild "Stendal_Dom_Restfeldfenster_02.jpg"  Die heilige Dorothea war kurz vor ihrer Enthauptung noch
 von einem Jüngling verspottet worden, sie solle ihm doch vom
 Himmel Blumen und einen Obstkorb bringen.
 Dorothea wurde enthauptet, ein Engel erschien und brachte
 tatsächlich Korb und Blumen. Daraufhin bekehrte sich der
 Spötter zum christlichen Glauben. So die Legende. Obst-
 korb und Blumen sind daher Dorotheas Attribute.
Bild "Stendal_Dom_Restfeldfenster_03.jpg"  Links ist die hl. Brigitta von Schweden zu sehen, doch es
 besteht kein Zusammenhang mit anderen Szenen. Auch die
 Szene rechts lässt sich kaum einordnen. Mitte: In der Nikolaus-
 legende gibt es eine Geschichte, in der der hl. Nikolaus (als
 Statue!) auf das Haus eines reichen Juden aufpassen sollte.
 Als dieser nach längerer Abwesenheit zurückkam, hatten Diebe
 ihn bestohlen. Da schlug der Reiche die Statue des Nikolaus.
Bild "Stendal_Dom_Restfeldfenster_04.jpg"  
 Architekturmotiv
Bild "Stendal_Dom_Restfeldfenster_05.jpg"  Der hl. Andreas. (So steht es am Heiligenschein.)
 Andreas ist der Bruder von Petrus, sein Attribut ist das
 nach ihm benannte Andreaskreuz.
Bild "Stendal_Dom_Restfeldfenster_06.jpg"  Die Arztheiligen Cosmas und Damian. Sie heilten Kranke
 und brachten dadurch viele zum christlichen Glauben.
 Am Ende wurden sie enthauptet, nachdem andere Versuche,
 sie zu töten, misslangen. Die beiden sind in Arzt- bzw.
 Gelehrtentracht sowie mit Salbgefäß und Urinflasche dar-
 gestellt.
Bild "Stendal_Dom_Restfeldfenster_07.jpg"  Die Inschrift.

Damit ist jetzt hier die Vorstellung der Stendaler Glasmalereifenster im Dom beendet. Sie gehören zu den bedeutendsten und vollständigsten mittelalterlichen Beständen dieser Art. Die Ergänzungen und die umfangreichen Restaurierungen (insbesondere die des königlichen Institutes für Glasmalerei Berlin 1887-1905) haben beigetragen, dass sich hier ein wunderbarer und geschlossener Eindruck einer mittelalterlichen Verglasung so erhalten hat. Dabei muss unbedingt erwähnt werden, dass wir diesen noch viel zu wenig bekannten Schatz auch nur deshalb bewundern können, weil er während der Kriegstage des Zweiten Weltkrieges demontiert und ausgelagert war und deshalb gerettet werden konnte*). Viele andere Glasmalereien sind dagegen für immer verloren. Krieg bedeutet stets Zerstörung und Leid. Wir sollten alles tun, um Kriege zu beenden, besser noch von Anfang an zu verhindern!
*) Auf Stendal gab es noch am 8. April 1945 einen Bombenangriff, dabei gingen u. a. alle restlichen nicht ausgelagerten Fensterscheiben des Domes zu Bruch.
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Quellen und weiterführende Literatur:
F. Adler, Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preussischen Staates, Bd.I, Berlin 1862, Digitalisat der Universitätsbibliothek Heidelberg, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/adler1862bd1/0007
Hannelore Sachs, Stendal, Kunstgeschichtliche Städtebücher, VEB Seemann Verlag, Leipzig, 1967
Karl-Joachim Maerker, Die mittelalterlichen Glasgemälde des Stendaler Domes, Fragen ihrer Erhaltung und Erforschung, in: Denkmale in Sachsen-Anhalt, Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1983
Hannelore Sachs, Der Dom zu Stendal, Das Christliche Denkmal Heft 57, hrsg. von Fritz Löffler, Union-Verlag Berlin, 1985
Karl-Joachim Maercker, Die mittelalterliche Glasmalerei im Stendaler Dom, CVMA (Corpus vitrearum medii aevi), Bd.5, Teil 1, Akademie Verlag Berlin, 1988
Stendal, Dom St. Nikolaus, Ein Führer durch das Bauwerk und seine Ausstattung, Hrsg.: Ev. Stadtgemeinde Stendal, 2002
Martina Sünder-Gaß, Friedrich Carl Eichenberg, Peter Tschammer, Die Glasmalereifenster im Dom St. Nikolaus zu Stendal, Hrsg. Förderkreis Dom St. Nikolaus zu Stendal e. V. und Ev. Stadtgemeinde Stendal, 2004
Rainhard Creutzburg, Markus Schütte, Peter Rogge, Schatz aus Glas - Die Glasmalereifenster im Dom St. Nikolaus zu Stendal, Hrsg. Ev. Stadtgemeinde Stendal, 2024
Aufsteller im Dom zum Festjahr 2024