Extras: Kunst am Bau - baugebundene Kunst

Wandbilder in der DDR - Teil 2

Wie immer gilt: Die Auswahl ist keine Wertung, absolut zufällig und überhaupt nicht vollständig...

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Wandbild (Ausschnitt) in Dresden-Johannstadt
- Was geschah am 12. April 1961?
Was bleibt im öffentlichen Raum übrig von der kulturellen Hinterlassenschaft der DDR? Wer mit offenen Augen die Städte und die damals neugeschaffenen Wohngebiete betrachtet, kann hier - noch! - eine große Menge an baubezogenen Kunstwerken entdecken. Auch wenn manches aus Unkenntnis, Gedankenlosigkeit oder einfach Dummheit für immer verloren ist, schärft sich inzwischen langsam das Bewusstsein, dass viele dieser Werke schützens- und erhaltenswert sind. Nachfolgend wird die Vorstellung einiger Beispiele*) fortgesetzt.
*) Wie immer gilt: Die Auswahl ist absolut zufällig und unvollständig...

Erhard Schreier: Das große Wandmosaik in Tangerhütte

"Der Landkreis Tangerhütte" - Industrie und Landwirtschaft, Natur und Kultur


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Das etwa 7 Meter x 10 Meter große Mosaik ist wie ein Bild aus einem Prospekt über glückliches und erfülltes Leben: 1976 erhielt der Berliner Künstler Erhard Schreier den Auftrag zu einem großen Wandbild am Giebel eines Wohnhauses, das das Leben im "Landkreis Tangerhütte" zum Inhalt haben sollte. Die in ländlicher Gegend liegende kleine Stadt Tangerhütte wurde erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch die sich hier entwickelnde Eisenindustrie zur Stadt und zum Industriestandort. Eisenwerk und Landwirtschaft prägten den Ort. (Das traditionsreiche Eisenwerk wurde 1992 geschlossen, ein kleiner Produktionsstandort blieb unter neuem Namen erhalten.)

Wandmosaik in Tangerhütte
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Und so stellte der Künstler folgerichtig einen Eisenwerker und eine Bäuerin (mit ihren "Kindern", ein kleines Mädchen und ein Ferkel) in den Mittelpunkt des Bildes. Neben idyllischen Motiven aus der Natur finden sich Szenen des friedlichen Zusammenlebens, des gemeinsamen Arbeitens, Spielens und der gemeinsamen Freizeit. Ein (sozialistisches) Paradies! Erhard Schreier fertigte mehrere Entwürfe an, 1984 war das aus Abertausenden (Millionen?) Mosaiksteinchen bestehende Bild fertig. Seit 2014 steht es (zum Glück) unter Denkmalsschutz. Im Bild finden sich Zeilen aus einem Gedicht von Bertolt Brecht als Leitspruch:
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Der Setzling wird ein Baum
Der Grundstein wird ein Haus
Und haben wir erst Haus und Baum
Wird Stadt und Garten drauss
Und weil uns unsere Mütter
Nicht für das Leid geborn
Haben wir alle gemeinsam
Glücklich zu leben geschworn


Hoyerswerda: Wandbild an der Lausitzhalle


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Hoyerswerda-Neustadt
Hoyerswerda-Neustadt wuchs ab den 1960er Jahren rasant, auch ein Kulturzentrum sollte für die neuen Bewohner errichtet werden. Doch der Bau des "HBE" - des Hauses der Berg- und Energiearbeiter zog sich hin (von 1977 bis 1885). Erst am 7. Oktober 1985 konnte das heute als Lausitzhalle bezeichnete Kulturzentrum feierlich eröffnet werden.
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An der Gebäudeseite zur Bautzener Allee, der ursprünglichen Magistrale der Neustadt von Hoyerswerda, befindet sich ein großes sechsteiliges Wandmosaik. Das Glasmosaik wurde 1984 von Fritz Eisel (1929-2010) geschaffen und ist den Berg- und Energiearbeitern gewidmet.
Fritz Eisel verwendete typische Motive der Region: ein Tagebau mit Förderbrücke im nächtlichen Mondlicht, Bergarbeiter und Ingenieure mit Schutzhelmen, ein Kraftwerk mit Kühltürmen, viele Rohrleitungen, die gleichzeitig die Motive abgrenzen, sowie ein junges Paar im romantischen Licht der Abendsonne - es könnte vielleicht aber auch die aufgehende Morgensonne sein...

Wandbild in Hoyerswerda - Tagebau und Energiewirtschaft
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Wandbilder in Halle-Neustadt


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Bildungszentrum in Halle-Neustadt,
ursprünglich Wohnheim
Halle-Neustadt wurde als sozialistische Stadt mit etwa 33000 Wohnungen konzipiert, einschließlich der gesellschaftlichen Einrichtungen. Für den Bau dieser neuen "Chemiearbeiterstadt" sollten Städtebau, Architektur und bildende Kunst eine Synthese eingehen. Dabei sollten großflächige Wandbilder mit wechselnden Perspektiven in den Raum wirken, denn es war hier nicht von einem stillstehenden idealen Betrachter auszugehen, sondern von sich bewegenden Menschen. Solche großformatige Bilder stellen immer eine Herausforderung dar. Der ursprünglich aus Valencia  stammende und 1958 aus dem mexikanischen Exil in die DDR übergesiedelte Künstler Josep Renau (1907-1982) nahm die Herausforderung an und entwarf einen Zyklus von fünf monumentalen Wandbildern, die die aktive Veränderung der Welt, die Beherrschung von Natur und Technik und die soziale Utopie einer besseren Gesellschaft zum Gegenstand hatten. Drei Bilder kamen zur Ausführung, zwei Wandbilder sind am Bildungszentrum in Halle-Neustadt erhalten.

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Die schmalen und hohen Wandbilder tragen die Titel "Die von den Menschen beherrschten Kräfte von Natur und Technik" (links) und "Die Einheit der Arbeiterklasse und die Gründung der DDR" (rechts). Die Bilder aus dem Jahr 1974 bestehen aus zwei visuellen Ebenen: Aus der Nähe (d. h. aus kleinem Blickwinkel unten stehend) sieht der Betrachter konkrete Inhalte und stillebenähnliche Details (der Agitator im Bild trägt z. B. Pantoffeln!), während die oberen Passagen aus dem Blickfeld verschwinden. Aus der Ferne dagegen werden vor allem die oberen Teile wahrgenommen mit ihren großflächig-abstrakten Darstellungen. Heute ist dieser spezifische Perspektivwechsel aufgrund der städtebaulichen Gegebenheiten kaum noch nachvollziehbar - bis auf Karl Marx, sein Konterfei ist auch heute noch aus allen Richtungen gut sichtbar. ;-)

Wandbilder in Halle-Neustadt (Details)
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Renaus großformatige Wandbilder gehören zu den herausragenden Werken baubezogener DDR-Kunst. Das Wandmosaik "Die Einheit der Arbeiterklasse und die Gründung der DDR" (mit Karl Marx Porträt) besteht aus 11136 Fliesen. Es wurde 2022 instandgesetzt, dabei wurden die fehlende Fliesen ergänzt, lose neu befestigt. Die Restaurierung dieses 36 Meter hohen und 7,25 Meter breiten Mosaiks geschah im Rahmen des Programms "Baubezogene Kunst in der DDR" der Wüstenrot Stiftung. (nach: Magdeburger Volksstimme, 26.04.2023, S. 2)

Die friedliche Nutzung der Atomenergie

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Josep Renau (eigentlich Josep Renau Berenguar) entwarf auch das Wandbild "Der Mensch nutzt die Atomenergie zu friedlichen Zwecken" am Bürogebäude der Energieversorgung. Das Bild aus dem Jahr 1971 besteht aus 4522 Keramikfliesen und ist 18 Meter x 6,5 Meter groß. Bei der gestalterischen Ausführung ist unbedingt auch der Fliesenmeister Lothar Scholz zu erwähnen, der mit seinen Mitarbeitern die höchst anspruchsvollen Farbgestaltungen der Fliesen (auch der anderen Wandbilder) realisierte.

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Josep Renau: "Der Mensch nutzt die Atomenergie zu friedlichen Zwecken" (Ausschnitt)


Keramikwandbild in Bitterfeld

Bild "Bitterfeld_Keramikwand_02a.jpg"Bild "Bitterfeld_Keramikwand_06a.jpg""Seh'n wir uns nicht auf dieser Welt - so seh'n wir uns in Bitterfeld."

Bitterfeld - der Name dieser Stadt hat für die, die dabeigewesen sind, einen speziellen Klang. Da sollten sogar vor langer Zeit in der ehemaligen Chemie- und Bergarbeiterstadt auf dem sogenannten "Bitterfelder Weg" Kunstschaffende und Werktätige voneinander lernen und sich auf Augenhöhe begegnen... Doch längst ist die ganze Region im Umbruch, die Industrie hat sich sehr verändert und aus den Tagebauen wurden Seen. Und der obige Vers wird dabei immer populärer.

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Die Künstler Bernhard Franke und Gerhard Markwald (Signatur auf dem Bild) haben dazu ein Keramikwandbild entworfen, es befindet sich an der Seite des Cafés am Markt in Bitterfeld. In fünf farbigen, kreisförmigen Bildern wird aus der Geschichte Bitterfelds und von Arbeit erzählt. Wir sehen eine Postkutsche (Ankommende? Abfahrende?), Frauen bei der Garn- und Tuchherstellung, Kumpel im Bergbau, moderne Chemiearbeiterinnen und schließlich eine blühende Stadt, in der drei Generationen harmonisch miteinander leben. Das Wandbild wurde 1977/78 geschaffen.

Bild "Bitterfeld_Keramikwand_06.jpg"Bild "Bitterfeld_Keramikwand_05.jpg"Bild "Bitterfeld_Keramikwand_04.jpg"Und wo kommt der schöne Spruch nun her?

Ist das Wandbild vielleicht ein Schelmenstück der 1970er Jahre? Der Sammler von Märchen und Sagen, Ludwig Bechstein, erzählt zum Spruch nämlich eine besondere Geschichte, die von Illusion handelt...

Ludwig Bechstein: Zauberverblendung
Ein Zauberer kam gen Magdeburg, schlug auf offnem Markt seine Bude auf und sammelte viel Volkes um sich her, sammelte auch ein ziemliches Geld ein, bevor er anfing mit seinem Hokuspokus und Abrakadabra. Da nun das Spiel im Gange war, zeigte sich unter andern ein allerliebstes wunderkleines Pferdchen, das tanzte im Ring und belustigte die Menge; gegen das Ende aber stellte der Zauberer seine Frau, seine Magd, den Hanswurst und das Pferdchen nebeneinander und hub einen Schwatz an, darin er klagte über das schlechte und schmachvolle Zeitalter, in welchem man jetzt lebe, wo die Leute davonliefen, wenn der Teller käme und sie bezahlen sollten, und wie ein ehrlicher Mann es doch zu gar nichts Rechtem bringen könne. Habe es nunmehr mit den lieben Seinigen satt auf dieser Welt und absonderlich in Magdeburg, wolle daher auswandern und davonziehen, zunächst gen Himmel, und wenn es ihm da nicht glücke, gen Bitterfeld (zwischen Dessau und Halle), allwo es auch gar schön, und darauf warf er ein Seil in die Luft, das erfaßte flugs das Rößlein und fuhr stracks daran in die Höhe, und der Zauberer erwischte das Pferdchen beim Schwanz, rief: hoppdiho! und fuhr auf, und seine Frau hing sich an ihres Mannes Beine und die Magd an der Frau ihre Beine und der Hanswurst an der Magd ihren Rock, und so fuhr die Gesellschaft aufhin, und der Zauberer rief aus der Luft herunter:

Sehen wir uns nicht mehr auf dieser Welt,
So sehen wir uns doch in Bitterfeld! –

und alles Volk lachte und staunte mit weit offnem Munde, bis ihm in der Richtung nach dem Himmel und gen Bitterfeld zu die Gesellschaft aus den Augen kam. Da kam ein Bürger aus der Stadt gegangen, dem sagten seine Bekannten von dem Wunder, es wäre schade, daß er es nicht auch gesehen, so was sehe man nicht alle Tage. Aber der Bürger sprach: Das kann nicht wahr sein, denn alleweile habe ich den Zauberer, sein Rößlein und seine Leute in ihre Herberge eingehen sehen, sind also derohalben weder gen Himmel noch gen Bitterfeld durch die Luft gefahren. (1)

(1) Quelle: Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 235-236.
Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004537777


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