Weitere Epitaphe der Spätrenaissance und des Frühbarocks im Magdeburger Dom (Teil 2)


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Detail vom Schulenburg-Epitaph, Magdeburg, Dom
Von den prächtigen Renaissancehäusern am Breiten Weg und am Alten Markt sind nur geringe Reste des bildhauerischen Schmucks  überkommen. Erhalten aus dieser Zeit haben sich vor allem die großen Epitaphien und Grabmäler im Dom. Sie zeugen vom hohen Stellenwert der Magdeburger Bildhauerei zwischen 1590 und 1630. Die protestantischen Domherren ließen sich ihre Prunkdenkmäler oft schon zu Lebzeiten errichten, ein häufiges Motiv ist ihre knieende Darstellung vor biblischen Szenen. Darüberhinaus wird eine Fülle von Dekorationselementen, wie Rollwerk, Beschlägen, Obstbündel usw. verwendet. "Die Epitaphien sind gleichermaßen Ausdruck renaissancehumanistischen Persönlichkeitsverständnisses wie adelsständischen Repräsentationswillens." (1, Helmut Asmus)
Einige der Künstler und ihre Herkunft sind bekannt: Der Bildhauer Hans Klintzsch aus Pirna arbeitete etwa fünf Jahre lang (von 1590-1595) in Magdeburg und schuf für den Dom drei der großen Epitaphien; sein drittes wird im Folgenden hier vorgestellt.

Hans Klintzsch von Pirna: Das Schulenburg-Epitaph im Dom zu Magdeburg

Dieses dritte Epitaph von Hans Klintzsch für Levin von der Schulenburg und Fredeke von Alvensleben befindet sich gleich östlich neben dem vorherigen Bothmar-Epitaph, ebenfalls im nördlichen Seitenschiff des Domes. Wir folgen wiederum der Beschreibung Günther Denekes:
  
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Schulenburg-Epitaph, Magdeburg, Dom
"Das Schulenburg-Epitaph (...) ist ganz nach dem gleichen Schema aufgebaut. Die Kompositionselemente und die einzelnen Bauglieder entsprechen in Zahl und Lagebeziehung untereinander völlig denen des Bothmar-Denkmales, nur sind selbstverständlich die den Einzelheiten zu Grunde liegenden Motive, die Scenen der Bildreliefs, die Ornamente der im Übrigen an denselben Stellen erscheinenden Friese, Konsolen, Gesimse, Sockel u.s.w. andere. Im allgemeinen ist das schulenburgische Epitaph reicher in seinen Schmuckformen, etwas höher im Aufbau, vor allem sorgfältiger in der Ausführung. Es erscheint insonderheit im Gegensatz zum bothmarschen weit ruhiger und geordneter in der Scheidung von Architektur und Skulptur. Die ornamentierten Streifen, die das fest in ein Rundportal gesetzte Hauptrelief umschließen, die sechs kleinen herausgerückten Säulen der Hauptstaffel, die seitlichen Giebelaufsätze geben eine stärkere Betonung der Konstruktion als die entsprechenden Teile des Bothmardenkmales. Dort sind in ähnlich verwirrender Fülle wie bei dem Plothowepitaph Putten vor die Streifen gesetzt, Karyatiden an Stelle der Säulchen, Rollwerkgebilde als Ecklösungen verwandt.
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So bedeutet das dritte Werk Klintzschs einen merkbaren Schritt zu den einfacher konstruierten Aufbauten Kapup's hin, von dem es vielleicht wie wir sehen werden (Anmerkung hb: folgt später), sogar beeinflußt ist. Die Einzelausführung war, wenn auch heute die umfassende Restaurierung stark mitspricht, von vornherein eine bessere. Mitbestimmend dafür mag gewesen sein, daß dies außer zum Gedächtnis für den 1587 verstorbenen Dechanten auch zur Ehrung der ganzen Familie geweihte Denkmal unter keiner zeitlichen Beschränkung gelitten hat. Es ist aber auch nur natürlich, wenn Klintzsch, durch die beiden voraufgegangenen Arbeiten wohlgeübt, an die dritte mit um so größerem Geschick für alles Bildhauerische gehen konnte, zumal ihm in diesem Falle der architektonische Aufbau nach schon vertrautem Schema keinerlei Mühe verursachen konnte.

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Details am Epitaph

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Daß auch dies Werk ihm zukommt, beweisen die zahlreich genug daran auftauchenden Reminiscenzen an die früheren und das Wiedererscheinen der als die seinen festgestellten Eigentümlichkeiten. Die Art der Reliefbehandlung, dieses lückenlose Übereinanderordnen aller Gestalten, als ob eine Art horror vacui den Künstler abgehalten hätte, andere als ineinandergeschachtelte Mittelgrundsfiguren zu geben ohne abschließenden, freieren Hintergrund, ohne Vordergrundsfläche; die rechts und links an den äußersten Konsolsockeln des Unterbaues wiederkehrenden Kinderfiguren in Rollwerklaschen, insonderheit die übertrieben durchgebogenen Figuren mit ihren vorgestreckten Bäuchen und ihren zwischen den Beinen dünn und straff herunterfallenden Gewandfalten, die klammerförmige Augenbrauenbildung, die dicken, realistischen Obstbündel, alle diese Eigenheiten des Meisters sind wiederzufinden. (...)
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Hl. Mauritius
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Klintzsch hat es allem Anschein nach bald nach der Anfang 1593 vollendeten Arbeit am Bothmarepitaph in Angriff genommen und es dann in anderthalb bis zwei Jahren fertiggestellt, also in etwa eben derselben Zeit wie sie sich auch für das Plothowepitaph ergeben hatte. Die Beschreibung des Denkmales kann, dem Gang des vorigen folgend, so zusammengefasst werden:

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Inschrifttafel: Levinus.A.Schulenburck
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Traurige Eva
Der Unterbau für die Platte erscheint in Gestalt zweier gekoppelter, mit Löwenköpfen besetzten Zwillingskonsolen, zwischen denen wieder die Hauptinschrifttafel eingebettet ist; die links und rechts davon befindlichen Reliefs zeigen den Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies.

Vertreibung aus dem Paradies
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Die obere Mitteltafel bringt eine Kreuzigung, die Seitentafeln das Isaaksopfer (links) und die Erhöhung der ehernen Schlange (rechts); die Predella zeigt in mäßig hohem Relief die Kinder (vier Söhne und eine Tochter) des auf der Platte als lebensgroße Freifiguren knieenden Ehepaares Lewin v. d. S. und Fredeke von Alvensleben (*).
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Details am Schulenburg-Epitaph
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Mauritius
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Hoffnung
An Stelle der weitheraustretenden allegorischen Figuren und Karyatiden des Bothmarepitaphs sind hier außen je ein, nach der Mitte zu je zwei gekoppelte Säulchen getreten; erst hinter den letzteren stehen hier die zierlichen Gestalten des Mauritius und der Katharina. Ueber diesen auf den Gesimsverkröpfungen stehen links das Schulenburgische und rechts das Alvenslebensche Wappen; 14 kleinere Ahnenwappen sind auch wieder auf dem durchlaufenden Fries unter den Bildtafeln angebracht.

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Die Plätze der Rundmedaillons über den Seitenflügeln nehmen reich ausgestaltete Aedikulaaufbauten ein, in denen wiederum je eine Personifikation einer christlichen Tugend vor einer flachen Nische steht. Auf dem sonst schmucklosen, gebrochenen Giebel lagern Putten und stehen zwei weitere Frauenfigürchen. Fast alle diese Miniaturstatuen sind bis auf zwei hinter den Säulen stehende Schutzheilige, neueren Ursprungs, ebenso die beiden Reliefs mit Paradiesesscenen, sowie viele andere Einzelheiten der ornamentalen Verzierungen. Die Bemalungsspuren sind sehr schwach; vermutlich hat die letzte umfassende Reparatur (von 1856 - hb) sie gründlich beseitigt. (...)

Konsolenmasken und andere Details
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Mit diesem letzten großen Werk ist allem Anschein nach die Tätigkeit des Pirnaer Meisters in Magdeburg beendet gewesen. Rund fünf Jahre, von 1590—95 hat er hier gewirkt und da dieser Zeitraum, wie wir sahen, durch die Arbeit an den drei riesigen Grabdenkmälern genügend ausgefüllt erscheint, so darf es nicht wundernehmen, wenn weder in unserer Stadt selbst noch in ihrer Umgebung noch andere Schöpfungen seiner Hand nachzuweisen sind."

(*) Anmerkung: Levin von der Schulenburg (1528-1587) hatte 1575 als einer der ersten Magdeburger Domherren geheiratet. Seine Frau, Fredeke von Alvensleben (1554-1622), beauftragte nach seinem Tod den Bildhauer Hans Klintzsch mit der Anfertigung des Grabmals.

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Text (kursiv) zitiert aus:
Günther Deneke: Magdeburgische Bildhauer der Hochrenaissance und des Barock,
Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Hohen Philosophischen Fakultät der Vereinigten Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg, 1911
(1) Helmut Asmus, 1200 Jahre Magdeburg, Band 1, Scriptum Verlag Magdeburg, 1999, S. 500



Wird fortgesetzt.

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zu den Magdeburger Hauszeichen