Elbuferpromenade in Magdeburg - Teil 2

Hol über, Fährmann!

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Der Fährmann, Elbuferpromenade Magdeburg
"Die kraftvolle Pose, mit der der Fährmann das östliche (Elb)Ufer ansteuert, ist symbolisch zu verstehen. Mit dieser Kraft, die nötig ist, um übers Wasser zu kommen, wollte ich die Anstrengungen zeigen, die seit tausend Jahren von den am Strom lebenden Magdeburgern ausgehen, um über die Elbe hinweg Bänder des Handels zu schlagen, und mit kulturhistorischen Leistungen von ihrer Stadt zu berichten." So erklärt Eberhard Roßdeutscher das Kunstwerk, das ganz bewusst am östlichsten Punkt des alten Magdeburg seinen Standort erhalten hat. (1)

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Der Magdeburger Bildhauer schuf den Fährmann an der Elbuferpromenade ("Promenade der Völkerfreundschaft") zusammen mit fünf Reliefs, die typische Szenen der Stadtgeschichte darstellen. Eberhard Roßdeutscher: "Noch etwas soll in den Reliefs lesbar werden: Arbeit, Handel, Wissenschaft, Kunst - das sind für mich einige völkerverbindenen Elemente, die zu gestalten es sich meiner Meinung nach lohnt. Zu gestalten in Alltagsszenen." (1) Zu diesen Alltagsszenen aus der Magdeburger Geschichte hat der Künstler Erklärungen gegeben, die im Folgenden (leicht gekürzt) aufgegriffen werden.

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Das erste Relief stellt mittelalterliches Markttreiben dar. Der "Alte Markt" war dafür über Jahrhunderte der Mittelpunkt der Stadt. Eberhard Roßdeutscher: "Im Jahre 965 erhielt Magdeburg neben anderen Privilegien das Marktrecht zugesprochen. Die geographische Lage im Schnittpunkt wichtiger Handelsstraßen nach allen Himmelsrichtungen schuf günstige Bedingungen ... Hier werden Tuche angeboten. Ein weitgereister Händler - rechts oben am Turban erkennbar - bietet ... seine Ware an; ein anderer, auf den Wanderstab gestützt, bringt in großer Kiepe Krüge zum Markt." (1)

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Markttreiben ist immer auch Trubel, um einen Musikanten tanzen die Kinder ... Das kleine Wappen rechts unten ist angelehnt an die erste bildliche Darstellung Magdeburgs: Marktkreuz und angehefteter Handschuh symbolisieren die Marktfreiheit und die hier geltenden besonderen Marktrechte. Links "symbolisiert der Kreislauf des Wassers - Wolken, Regentropfen, Meer, Verdunstung - auch den Gedanken des Handels: Du bietest mir dies, dafür erhältst du jenes ... " (E. Roßdeutscher) (1)

Erzgießer und Bildhauer

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"Schon im frühen Mittelalter hatte die Kunst sowohl der Magdeburger Erzgießhütte wie auch der Dombauhütte auf (dem) Kontinent einen guten Ruf." (E. Roßdeutscher) Von den hervorragenden Leistungen kann man sich bis heute im und am Dom überzeugen. Herausragende Beispiele des Magdeburger Bronzegusses sind im Dom die Grabmäler der Erzbischöfe Friedrich von Wettin und Wichmann von Seeburg ebenso wie die berühmte Bronzetür an der Sophienkathedrale zu Nowgorod (Das Relief zeigt einen Ausschnitt). Eberhard Roßdeutscher: "Ein kleines Loblied auf die Bildhauerei wollte ich mit diesem Relief singen. Darzustellen, dass nach gelungenem Guss auch mal zum Krug gegriffen wurde, wird man mir nicht verübeln. Der Holzknüppel - ganz unten links - und die Skizzenpläne sind natürlich notwendige Utensilien unserer Kunst." (1)
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Rechts unten ist das älteste bekannte Siegel des Magdeburger Rates dargestellt: Die Magdeburger Jungfrau (die "Magd") mit der Umschrift SIGILLUM BURGENSIUM IN MAGDEBURCH, die drei Eulen auf dem Ast links symbolisieren Klugheit, Weisheit und Begabung (E. Roßdeutscher).
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Otto von Guericke: Neue Magdeburger Experimente über den leeren Raum

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Eberhard Roßdeutscher: "Vielleicht hätte hier mancher Betrachter lieber den weltberühmten Versuch mit den Halbkugeln gesehen, aber sie liegen ihm schon am Denkmal neben dem Alten Rathaus zu Füßen. Ich wollte mehr auf seine größte Erfindung eingehen: Die Vakuumpumpe - eine Luftpumpe, deren Prinzip sich bis auf den heutigen Tag nicht verändert hat. Auf dem Titelblatt des Hauptwerkes Otto von Guerickes 'Experimenta Nova Magdeburgica de Vacuo Spatio' (Neue Magdeburger Experimente über den leeren Raum) ist jene Universalapparatur abgebildet, die der Ingenieur Otto von Guericke für seine Versuche benutzte: In einem dreibeinigen Gestell hängen die beiden übereinander angeordneten Hohlzylinder, die zuerst aus Kupfer, später aus Glas gefertigt waren. Mit Ventilen versperrte man der Luft den Weg." Hinter Guericke ist die (mit Gewichten ausbalancierte) Waage mit leergepumptem Rezipient zu sehen, die bei Luftdruckschwankungen aus dem Gleichgewicht kam. Guericke erfand das "Wassermännchen", ein Barometer mit ca. 10 Meter Wassersäule, das an seinem Haus angebracht war und dort mit dem ausgestreckten Arm eines kleinen Holzschwimmers den Luftdruck  anzeigte. 1660 beobachtete Guericke, wie der Schwimmer weit unter die angebrachte Skale absank und sagte einen schweren Sturm voraus, der prompt zwei Stunden später eintrat und in der Stadt erheblichen Schaden anrichtete. Auch das Barometer ist auf dem Relief zu sehen. Und zwischen den Füßen des Forschers erkennt man die Vakuumpumpe, die Guericke aus einer Feuerspritze konstruierte.
"Sehr interessiert schauen im Relief ein alter Mann und ein Kind dem Versuch Otto von Guerickes zu, dessen Hand am Ventil festhält ... Der alte Mann blickt skeptisch ... Das Kind aber hat die Hände bereits auf dem Tisch zu liegen, möchte Besitz ergreifen vom Neuen." (E. Roßdeutscher)
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Otto von Guericke wurde 1602 in Magdeburg geboren. Er war nicht nur Wissenschaftler und Ingenieur sondern ab 1626 auch Ratsherr, später Diplomat und ab 1646 Erster Bürgermeister der Stadt, und er war bei den schrecklichen Geschehnissen des Dreißigjährigen Krieges dabei.  "Der Belagerung, Eroberung und Zerstörung der Stadt durch den Großbrand vom 10. Mai 1631, den Otto von Guericke selbst miterlebte, ist der untere Fries gewidmet. Noch steigen Rauch und Flammen aus dem Häusermeer auf. Aber die Sonne scheint, langsam entsteht die Stadt neu ... " (E. Roßdeutscher)
Das Magdeburger Stadtwappen zeigt die Jungfrau zwischen zwei Türmen über dem geöffneten Stadttor mit hoch erhobenem Kranz in der rechten Hand.

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Pimpinone oder die ungleiche Heyrath

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"Dem Schaffen Georg Philipp Telemanns ist das nächste Relief gewidmet. Ich habe dafür das Theater zur Barockzeit gewählt ... Gespielt wird 'Pimpinone', eine komische Oper, deren heitere Szenen auch heute noch ein begeistertes Publikum finden." (E. Roßdeutscher)
Telemann wurde 1681 in Magdeburg geboren, sein umfangreiches Schaffen umfasst etwa 1000 Instrumentalwerke, 56 Opern und 46 Oratorien. Viele Werke werden erst nach und nach wieder der Vergessenheit entrissen.

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Die 1725 geschriebenen Oper 'Pimpinone oder die ungleiche Heyrath' wurde 1956 in Magdeburg wiederaufgeführt. Es ist die Geschichte vom älteren Liebhaber, der sich sich um die Gunst einer Jüngeren bemüht, die es am Ende aber doch nur auf sein Geld und Gut abgesehen hat. Komisch? - Offenbar ja, denn so etwas soll es wohl bis heute geben ... Der hochmütigen Haltung der Angebeteten können Amors Pfeile im Köcher und die Rosen des Liebhabers jedenfalls nichts anhaben.
Im unteren Bildteil werden Pegasus, das geflügelte Dichterpferd, singende Kinder und das mit barocken Ornamenten verzierte Stadtwappen dargestellt.

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Lehre und Produktion

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"Lehre und Produktion - könnte man dieses Relief überschreiben", erklärt Roßdeutscher. (1) "Die Kugelkalotte im Vordergrund mitsamt den Rohrleitungen, Flansche im Hintergrund, all das charakterisiert die tägliche Arbeit jener Brigade aus dem Schwermaschinenbau "Karl Liebknecht", die mit mir gemeinsam das plastische Ensemble "Der Fährmann" beriet, gleichsam gesellschaftlicher Partner und Auftraggeber war. Es ist unsere Zeit, die hier gestaltet wurde. Freundschaftlich steckt man sich die rote Nelke an, wie man überhaupt in echter sozialistischer Gemeinschaftsarbeit in der Arbeit und auf vielen anderen Gebieten zusammenwirkt." (E. Roßdeutscher)
Auf der rechten Seite ist eine Szene aus Forschung und Lehre dargestellt, darunter ein Student aus einem Entwicklungsland (mit Bastschuhen). An dieser Darstellung entzündeten sich zur Entstehungszeit des Reliefs heftige Diskussionen ...
Der Schwermaschinenbau "Karl Liebknecht" (SKL, hervorgegangen aus der Maschinenfabrik Buckau-Wolf) ist nach der politischen Wende 1990 wie so viele andere Industriebetriebe in Magdeburg durch Ausgründung und Liquidierung komplett umgestaltet worden und so nicht mehr existent. Nähere Informationen dazu auf  -->Wikipedia.

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Der untere Teil der Relieftafel nimmt Bezug auf die abermalige Zerstörung der Stadt durch die Bombenangriffe vom 16. Januar 1945 und den in den Folgejahren geleisteten Wiederaufbau. 30 Jahre danach entstand so auch die Elbuferpromenade. Und eigentlich könnte man hier an dieser Stelle das Geschichtsbuch fortschreiben ...

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(1) Die Zitate wurden entnommen aus der Broschüre:
Dieter H. Michel, Gerhard Kuhnert u. a.: Promenade der Völkerfreundschaft, Impressionen eines Spaziergangs, S. 34 ff., ohne Jahresangabe, (1974?)
Herausgeber: Rat der Stadt Magdeburg, Abt. Kultur

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Jahrhunderte lang war das Elbufer hier kein Ort zum Spazierengehen. Denn entlang der Elbe befanden sich Lagerschuppen, Kohlehaufen, Eisenbahngleise, Verladeeinrichtungen, fortifikatorische Anlagen. Mit der Gestaltung der Elbuferpromenade hat die Stadt unglaublich an Attraktivität gewonnen. Und am schönsten ist der Spaziergang natürlich bei Sonnenschein - egal ob nun im Sommer oder im Winter...

Aus Magdeburgs Geschichte
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Die Reihenfolge (v. l. n. r.: Markttreiben, Erzgießer, Otto v. Guericke, Telemann, Lehre und Produktion) ist hier
entgegengesetzt zur originalen Aufstellung.
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Magdeburger Originale

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Elbfront 1974 ...
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... und 2009
Das idyllische Stück Elbfront mit den alten Kirchen (Magdalenenkapelle, Petrikirche, Wallonerkirche) ist eine der schönsten Ecken des alten Magdeburg. Einst gehörte dieses Gebiet mit seinen engen Hinterhöfen, den Kellerwohnungen und primitiven, Slum-ähnlichen Behausungen mit zu den dichtbesiedeltsten in Europa und wurde von den Magdeburgern treffend "Knattergebirge" genannt.

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Magdeburger Originale um 1974 ...
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... und 2012
"Moachteborjer Orjenale" -  Magdeburger Originale - so nannte der Volksmund die ob ihrer Eigenheiten stadtbekannten Typen hier am Fischerufer zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Der Bildhauer Eberhard Roßdeutscher hat einige von ihnen in Stein verewigt, so dass sie nicht in Vergessenheit geraten sind und seit Einweihung der Elbuferpromenade von der alten Mauer heruntergrüßen.

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Blutappelsine

Blutappelsine hatte ihren Stand auf dem Fischmarkt, handelte mit Früchten und war Sommer wie Winter präsent. Ihre rote Gesichtfarbe kam da bestimmt von der vielen frischen Luft ...

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Fliegentutenheinrich

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"Fliejentuten" - das sind Tüten (in Magdeburg eben "Tuten"), die man prima zum Fliegenfangen benutzen kann. Papier zum Kegel gerollt, mit Leim bestrichen und an der offenen Seite eine Art Deckel aus Pappe zum Stehen angeklebt, fertig ist die Fliegenfalle. Viele Kinder verdienten sich so früher ein paar Pfennige, doch der bekannteste Verkäufer war ohne Zweifel der "Fliejentutenheinrich".
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Feuerkäfer

Feurig muss sie wohl gewesen sein, langes, lockiges, rotes Haar
nannt sie ihr eigen und ab an gönnte sie sich ein Schlückchen ...
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Lusebenecke

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Woher Julius Benecke seinen Spott-Namen hatte? Nun, er und sein Hund gaben wohl ein paar Läusen willkommene Lebensgrundlage ... Am besten ging es Lusebenecke, wenn er etwas Geld erbettelt hatte und dieses möglichst schnell wieder in Alkohol verwandeln konnte. Dann war er in Hochstimmung.


Schlackaffe

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Schlackaffe hingegen ging manchmal den Hafenarbeitern und Fischern zur Hand und erhielt für seine Hilfe immer mal ein paar Fische geschenkt, die er dann in den Tiefen seiner Taschen verstaute und später zu verkaufen suchte. Er sammelte auch seltene Käfer und Schmetterlinge.

Affenvater

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Affenvater zog mit seinem Leierkasten durch die Hinterhöfe, drehte die Kurbel und sang so gut er konnte. Dazu tanzte sein Äffchen. Die Hausbewohner warfen ihm in Papier eingewickelte kleine Geldstücke aus den Fenstern zu, die er dankend einsammelte, bevor er weiterzog.

Es tut den Sandsteinfiguren gut, ab und an mal gereinigt zu werden...
Magdeburger Originale
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Elbuferpromenade - Teil 3