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Metallskulpturen, Abstraktes und anderes in Magdeburg
Ein Denkmal für den Sachsenspiegel
Eike von Repgow schrieb zwischen 1220 und 1235 den "Sachsenspiegel", ein Rechtsbuch, welches außerordentlich weite Verbreitung fand und etwa 600 Jahre gültig blieb. Der "Sachsenspiegel" besitzt auch eine herausragende Bedeutung für die deutsche Sprache - denn er wurde nicht in Latein, sondern in deutsch (mittel-nieder-deutsch) abgefasst. In den zwei Hauptteilen des Buches werden Landrecht und Lehnrecht behandelt. Neben dem Denkmal für Eike von Repgow erinnert im Campus der Universität Magdeburg seit 1999 eine Edelstahlskulptur von Frank Bohrisch an das bedeutendste Rechtsbuch des Mittelalters.
Got hat die sassen wol bedacht,
sint diz buch ist vore bracht
Den lüten al gemeine;
doch is der leider cleine,
Die gote so eren,
daz se ire witze an gut keren.
sint diz buch ist vore bracht
Den lüten al gemeine;
doch is der leider cleine,
Die gote so eren,
daz se ire witze an gut keren.
(aus dem Prolog des Sachsenspiegels)
Spiegel der Sachsen sei deshalb dies Buch genannt, weil mit ihm das Recht der Sachsen allgemein bekannt wird, wie durch einen Spiegel den Frauen das Antlitz, das sie erblicken. - So kann man es oben auf den durchbrochenen Edelstahltafeln lesen. Und schaut man von unten, dann leuchtet das Licht durch die Buchstaben, jetzt allerdings in Spiegelschrift...
Die Zwei
Unübersehbar steht im Hof der "Festung Mark" (1) die - zugegeben ziemlich rostig anmutende - Metallskulptur "die Zwei" von Volker Kiehn. Die beiden einander sich zuneigenden Teile bestehen aus Cortenstahl (auch Kortenstahl oder COR-TEN-Stahl). Was ist Cortenstahl? Diese Stahlsorte enthält eine Reihe von Zusätzen (Kupfer, Phosphor, Silizium, Nickel, Chrom) und bildet deshalb unter der rostigen Oberfläche eine Sperrschicht aus, die das Material wirksam vor weiterer Korrosion schützt (wikipedia). Die rötliche "Patina" und die Witterungsbeständigkeit sind sicherlich ein Grund dafür, warum das Material bei Stahlbildhauern so beliebt ist.
(1) Als Festung Mark wird in Magdeburg ein Rest der ehemaligen Festungsanlagen am Hohepfortewall bezeichnet, wobei es sich genau genommen um eine Defensivkaserne handelt. Das Gebäude und das Gelände werden heute für Kulturveranstaltungen genutzt (siehe: www.festungmark.com)
On Broadway/375 Jahre nach Tilly
"On Broadway/375 Jahre nach Tilly"
Bleiben wir noch einen Augenblick beim Cortenstahl: Die Skulptur "On Broadway/375 Jahre nach Tilly" im Magdeburger Stadtteil Westerhüsen nimmt sowohl Bezug auf den "Breiten Weg", die alte Hauptstraße in Magdeburg, als auch auf den in Magdeburg höchst unbeliebten Grafen Tilly, im Dreißigjährigen Krieg oberster Heerführer der kaiserlichen Liga. Tilly hatte südlich der Stadt genau hier im Dorf Westerhüsen sein Hauptquartier aufgeschlagen. Das Gebäude (der sogenannte "Weibezahlsche Hof") ist sogar noch vorhanden, eine an der Straßenseite eingemauerte Kanonenkugel mit Jahreszahl erinnert an das Ereignis. Unter Tillys Kommando wurde Magdeburg am 10. Mai 1631 von den kaiserlichen Truppen erobert. Die Soldaten massakrierten die Bevölkerung und die ausbrechende Feuersbrunst legte anschließend die Stadt in Schutt und Asche.
Kanonenkugel
Tillys Quartier von 1631 heute
Vor diesem Hintergrund bekommt die Skulptur aus Cortenstahl "On Broadway/375 Jahre nach Tilly" von Volker Kiehn aus dem Jahr 2006 einen irgendwie bedrohlichen, auf jeden Fall aber ganz eigenen Charakter. Doch urteilen Sie selbst!
Denn anderswo wurden dem Feldherrn Johann T’Serclaes von Tilly für seine Verdienste Denkmäler gesetzt: zum Beispiel in Wien, in Altötting, in der Feldherrnhalle in München. Der Historische Verein Alt-Tilly e. V., Altötting, widmete der Frage nach der historischen Einordnung des Grafen unter dem Titel "Tilly - Heiliger oder Kriegsverbrecher" im Jahr 2007 eine Ausstellung (http://www.tilly-altoetting.de/ausstellung/index.html). Bis Januar 2009 wurde in Altötting sogar täglich (!) eine Messe für Tilly gelesen.
In Magdeburg dagegen wurden noch bis ins 19. Jahrhundert oft Hunde nach Tilly benannt...
In Magdeburg dagegen wurden noch bis ins 19. Jahrhundert oft Hunde nach Tilly benannt...
Exkurs: Hund mit Haufen?
"Selten ist ein Kunstwerk zumindest von Insidern so falsch interpretiert worden. Denn die Skulptur trägt den offiziellen Namen 'On Broadway/375 Jahre nach Tilly' im Magdeburger Stadtteil Westerhüsen. Der Kunstgenießer wird jetzt stutzig: Das soll dann wohl ein stilisiertes Pferd der Verteidiger sein, und der Haufen vielleicht der abgeschlagenen Kopf des Tieres. Feldherr Tilly, der 1631 vor dem großen Sturm auf Magdeburg hier bei Westerhüsen lagerte, hat noch Schlimmeres auf dem Gewissen.
Kein edles Pferd, es ist tatsächlich ein Hund, und tatsächlich dessen Haufen. Bei dieser Plastik handelt es sich um eine im Jahr 2006 geäußerte wuchtige Kritik des Künstlers an der Ignoranz: Unsere Hauptstraße ist das, und man schaut 375 Jahre nach Tilly auf den derartig verschmutzten breiten Gehweg.
Der Titel ist provokant, die Kritik nicht an Vierbeiner gerichtet, der von Kiehn geschaffene wendet sich ohnehin von der Hinterlassenschaft beschämt ab. Sie ist - differenziert - auf jene Besitzer gemünzt, die ihren unangeleinten Lieblingen überall Haufen zu setzen gestatten."
Zitiert nach: Karl-Heinz Kaiser: Hund mit Haufen, Artikel in der "Volkstimme" Magdeburg, Montag, 14. August 2017, Seite 12
Kein edles Pferd, es ist tatsächlich ein Hund, und tatsächlich dessen Haufen. Bei dieser Plastik handelt es sich um eine im Jahr 2006 geäußerte wuchtige Kritik des Künstlers an der Ignoranz: Unsere Hauptstraße ist das, und man schaut 375 Jahre nach Tilly auf den derartig verschmutzten breiten Gehweg.
Der Titel ist provokant, die Kritik nicht an Vierbeiner gerichtet, der von Kiehn geschaffene wendet sich ohnehin von der Hinterlassenschaft beschämt ab. Sie ist - differenziert - auf jene Besitzer gemünzt, die ihren unangeleinten Lieblingen überall Haufen zu setzen gestatten."
Zitiert nach: Karl-Heinz Kaiser: Hund mit Haufen, Artikel in der "Volkstimme" Magdeburg, Montag, 14. August 2017, Seite 12
Bewehrungsfigur
Kehren wir zum friedlichen Prozess des Bauens zurück, auch wenn bei der Bewehrungsfigur von Hannes Meinhard aus dem Jahr 1999 im Wort die "Wehr" versteckt ist. Auf einem ehemaligen Eisenbahngelände (Bahnhof "Unterwelt") entstanden hier in den letzten Jahren attraktive Wohnungen in unmittelbarer Elbnähe.
Stadtteilzeichen, Windspiel und ein großes E
Gebaut wurde und wird in Magdeburg viel, da muss man auch mal ein Zeichen setzen! Die Stadtteilinitialen NF auf dem Hermann-Bruse-Platz stehen natürlich für Neustädter Feld. Für die Initialen aus Edelstahl zeichnen Karina Schade und Josef Bzdok (2004/2008) verantwortlich.
Und auf einem freien Platz unweit der Stadtteilinitialen befindet sich das "Windspiel" von Wilfried Heider aus dem Jahr 1985.
Das Neustädter Feld und insbesondere Neu-Olvenstedt waren die großen Neubaugebiete der Stadt Magdeburg in den 1980er Jahren. Inzwischen hat sich hier viel hier verändert, doch ein Spaziergang lohnt sich. Unvermittelt begegnet man dabei einem großen E. Wofür steht E? Klar - für Energie! E = m * c² ist die berühmteste Formel der Physik und eine unserer Hoffnungen für die Zukunft. Und nun raten Sie bitte, wie die Schule im Hintergrund heißt... ;-))
Frühlingsgefühle und der Lebensbaum im Glacis
Ich mag dich!
Was ist ein Glacis? Ursprünglich stammt der Begriff aus dem Festungsbau und bezeichnet das leicht (zur Festung hin) ansteigende freie Vorgelände. Die Angreifer hatten hier keine Deckung und sahen die Festung selbst nicht. Das ist längst vorbei, heute kann man in den Magdeburger Glacis-Anlagen spazierengehen, seinen Frühlingsgefühlen freien Lauf lassen und kommt in dem schmalen Parkstreifen am Lebensbaum von Son Hag Ky vorbei. Die Edelstahlskulptur stammt aus dem Jahr 1981. Und nicht vergessen: Liebe ist die Einstellung zum Leben!
Auke de Vries: Für Daphne
Zugegeben, das Ding sieht irgendwie staksig aus. Aber irgendwie staksig sehen sowieso die meisten Arbeiten des niederländischen Künstlers Auke de Vries aus. Die Metallkonstruktion "Für Daphne" am Nordbrückenzug (Friedensbrücke) begrüßt seit 2001 die von Osten nach Magdeburg hereinkommenden Autofahrer, die bei ihrer schnellen Fahrt die Figur wohl nur flüchtig wahrnehmen können. Die Konstruktion hat etwas von einem Baumhaus an sich, oben vielleicht ein Kontrollhäuschen, mich aber erinnert sie eigentlich von weitem mehr an ein staksig dürres junges Mädchen, das ein Spielzeug in der Hand hält; jedenfalls ist der Eindruck höchst fragil... man könnte auch vorpubertär-empfindlich sagen.
Hartmut Renner: Stabwerk
Das "Stabwerk" von Hartmut Renner aus dem Jahr 2002 befindet sich am Eingang zur Leiterstraße und besteht aus Edelstahl. Die gebogenen Masten tragen Metallgitter (die in mir die unsinnige Assoziation von alten Fernsehantennen hervorrufen). Von der polierten Steinkreisfläche am Boden zieht sich ein blaues glattes Steinband gewunden durch die Leiterstraße, die mit zu den ältesten Straßen in Magdeburg gehört. Von der abstrakt modernen Edelstahlkonstruktion wird so die West-Ost Verbindung zum Breiten Weg und (in der Verlängerung) bis zum historischen Viertel Domplatz und dem romanischen Kloster Unserer Lieben Frauen geschaffen.
Und wenn es regnet, dann kommen vielleicht neue Assoziationen auf: Bäume, Regenwald, See und Fluss...
Volker Kiehn: "der Magdeburger"
"der Magdeburger"
Da steht er nun - am hinteren Ausgang des Magdeburger Hauptbahnhofes: nackt, silbrig glänzend, mit dem rechten Arm den Ankommenden winkend, in der linken Hand den leeren Einkaufsbeutel... Wie man sieht, kann Volker Kiehn nicht nur rostigen Stahl verarbeiten. Hm, nicht jedem gefällt's, wie "der Magdeburger" da so erwartungsfroh vor sich hin glänzt. Doch es zeugt von Humor und der 2008 bei der Enthüllung anwesende Oberbürgermeister der Stadt fand's ganz ok so.
Und Stadtschreiber Peter Wawerzinek hatte im Juni 2015 seine eigene Interpretation:
DER nackte BÜRGER
Textquelle: http://stadtschreiber-magdeburg.de/2015/06/
Video von der Enthüllung: https://www.youtube.com/watch?v=LHTr-B_B2tU
Video von der Enthüllung: https://www.youtube.com/watch?v=LHTr-B_B2tU
Josef Bdzok: Kreuzknoten
"Der Kreuzknoten gehört zu den am meisten angewandten Seemannsknoten. Er kann sich sehr fest zusammenziehen, ist aber durch Schieben des einen Endes entgegen der normalen Zugrichtung leicht zu lösen.
Die Volksbank Magdeburg wählte den Kreuzknoten als Symbol einer festen Verbindung zwischen ihren Kunden und sich selbst. Die Verbindung auf gleicher Augenhöhe und die Gleichberechtigung der Partner, also die Festigkeit des Knotens, bleibt solange erhalten, wie beide mit gleicher Stärke ziehen. Sollte jedoch einer der Partner versuchen, den anderen zu übertölpeln oder gar zu betrügen, kann die Verbindung leicht gelöst werden."
So kann man es auf der kleinen Tafel am Fuße des Knotens lesen. Dieser steht unübersehbar vor besagter Bank auf dem Breiten Weg in Magdeburg. Na, dann...Die Volksbank Magdeburg wählte den Kreuzknoten als Symbol einer festen Verbindung zwischen ihren Kunden und sich selbst. Die Verbindung auf gleicher Augenhöhe und die Gleichberechtigung der Partner, also die Festigkeit des Knotens, bleibt solange erhalten, wie beide mit gleicher Stärke ziehen. Sollte jedoch einer der Partner versuchen, den anderen zu übertölpeln oder gar zu betrügen, kann die Verbindung leicht gelöst werden."
Wir bleiben auf dem Breiten Weg, gehen nach Süden und landen auf dem Hasselbachplatz. Da treffen wir seltsame Typen ;-)
Aerobiont 1 - von Jörg-Tilmann Hinz
"Aerobiont 1"
"Plättbolzen" am "Hassel"
Was ist ein Aerobiont? Laut Wörterbuch ist es ein luftbewohnender Organismus. Und tatsächlich vollführt die abstrakte Metallskulptur von Jörg-Tilmann Hinz an der Ecke Hasselbachplatz / Liebigstraße in Magdeburg sanft-gleitende Bewegungen im Wind.
Große Kreuzigung
Für den Vorplatz der Kirche der evangelischen Hoffnungsgemeinde in Magdeburg-Nord schuf Rainer Henze eine ausdrucksstarke Metallskulptur. Sie trägt den Titel "Große Kreuzigung", denn es ist nicht ein einzelner Mensch, sondern eine ganze Gruppe, die stellvertretend für das Leiden der Menschheit steht. Der Standort ist passend gewählt für eine moderne Kirche, die die "Hoffnung" im Namen trägt.
Ringe, Moos, Mikado
Im Uni-Campus
Hoffnung hat immer etwas mit Zukunft zu tun und mit den Menschen, die sie gestalten werden. Sachkenntnis und verantwortungsvolles Handeln ist dabei essentiell, denn alles ist miteinander verzahnt und bedingt sich gegenseitig - vielleicht sollen deshalb die im Campus der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität liegenden Ringe aus Kortenstahl einen solchen Aspekt verdeutlichen.
Im Uni-Campus
Als Beispiel für die lange Technikgeschichte der Stadt, die besonders mit dem Namen Otto von Guericke als Namensgeber der Universität verknüpft ist, steht auch die im Campus zusammen mit verschiedenen Stelen (wieder-) aufgestellte gusseiserne Säule, die wohl einst eine Brücke stützte. "Die Säule gilt als uraltes funktionelles und dekoratives Element in Technik und Architektur. Sie steht für Standfestigkeit, Langlebigkeit und menschliche Schöpferkraft. Ein Symbol von universeller Gültigkeit." (siehe Tafel)
Im Uni-Campus
Und wenn wir es schaffen, die Zukunft zu meistern, zum Beispiel auch mittels schöpferisch begrünter Hausfassaden, dann besteht wirklich Hoffnung...
Ohne Moos nix los... und ein X
Wer weiß das besser als die Profis, die tagtäglich mit Geld umgehen. Die Stadtsparkasse Magdeburg hat jedenfalls genug davon, sie stellt ihre großen Silbertaler sogar sichtbar vor dem Eingang des Hauptgebäudes künstlerisch auf. Und selbst die Zweigstelle bekommt noch einen Taler ab...
(Leider ist mir nicht bekannt, wer sich hinter dem Signet HS 99 verbirgt. Vielleicht können Sie mir helfen?)
Joachim Röderer: X-Chromosom
Geld ist vonnöten, wenn man die Zukunft meistern will. Zukunft ist Innovation, ist Forschung. Lebenswissenschaften werden in unserem Jahrhundert wahrscheinlich eine überragende Bedeutung bekommen. Vielleicht hat ja der Stahlbildhauer Joachim Röderer, der das am südlichen Stadtrand von Magdeburg stehende X-Chromosom aus Kortenstahl schuf, dabei auch an die Überwindung eines oft noch dominierenden männlichen Rollenverständnisses gedacht?
Dass es am Stadtrand sehr interessante Skulpturen gibt, zeigt auch die folgende Seite:Auf zum Stadtrand!