Figuren, Reliefs und Denkmale am Wege, in kleinen und größeren Orten:

Der Plastikpark in Leuna - Teil 3

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Wieland Förster, Stehender Akt
Chemieindustrie - das ist es, was man zunächst gedanklich mit dem Namen Leuna verbindet. Doch es gibt auch anderes: Anfang der 1960er Jahre entstand die Idee, zeitgenössische Plastiken im Freien aufzustellen. Der Plastikpark Leuna ist heute ein "einmaliges Zeugnis bildender Kunst der 1950er und 1960er Jahre in der DDR". (wikipedia)


Wir setzen unseren Rundgang fort mit der "Großen Liegenden", einer Skulptur, die als eine der letzten im Plastikpark aufgestellt wurde.

Große Liegende

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Wieland Förster experimentierte um 1965 mit kubischen Formen und entdeckte für sich in den kantig-blockhaften, archaisch wirkenden Formen eine weitere Möglichkeit, den menschlichen Körper zu gestalten. So liegt denn seine voluminöse "Große Liegende" zwar aufgestützt auf dem Rücken, hat aber den Unterkörper zur Seite gedreht und die Beine übereinandergeschlagen. Die Augen sind geschlossen. Diese Skulptur aus den Jahren 1965/67 markiert mit ihrer Abstraktion im Kontext zu den anderen im Plastikpark Leuna ausgestellten Arbeiten eine Neuorientierung im bildhauerischen Schaffen, bei der die realistischen Formen zurückgenommen werden.
Die Große Liegende liegt auch noch anderenorts - in Berlin, dort aber in Bronze.

Große Liegende
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Stehender Mädchenakt

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Wenige Jahre (1961/63) vor der "Großen Liegenden" entstand die Plastik "Stehender Mädchenakt". Im Gegensatz zu der kantigen Liegenden betont Wieland Förster hier die typisch weiblichen Rundungen und schuf so eine Hommage an die Schönheit des weiblichen Körpers.
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Doch schauen und urteilen sie selbst!

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von Andreas Berger (www.bretteleben.de) verwendet.
Stehender Mädchenakt, Wieland Förster, 1961/63


Stehende

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Kokett hat sie das rechte Bein leicht angehoben vorgestellt, ihre beiden Arme emporgehoben - und doch scheint sie abwesend, denn ihr Blick wirkt verträumt... Lore Plietzsch betont bei ihrer Plastik "Stehende" aus dem Jahr 1962 (manchmal als Schwimmerin bezeichnet) ohne großes Aufhebens die weiblichen Rundungen und schafft durch die intime Geste der jungen Frau, die ganz in sich versunken ihr Haar richtet, einen wohltuend schönen Ruhepunkt.

Stehende
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Stehendes Mädchen

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Und noch ein stehendes Mädchen... Ingeburg Hunzinger-Riehl schuf die Plastik "Stehendes Mädchen" im Jahr 1961. Die Künstlerin fokussiert in dieser Arbeit auf die Grundform und nimmt die Ausformung der Details sehr zurück, dadurch schafft sie einen geradezu säulenhaften Körpereindruck. Es ist interessant zu sehen, wie das Streben nach Darstellung der Schönheit des menschlichen Körpers in Einheit zum neuen Menschenbild des Sozialismus in den 1960er Jahren in der DDR so ganz unterschiedliche Ergebnisse hervorbrachte.


Geschwister

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Von Weitem glaubt man zuerst eine Mutter-und-Kind-Gruppe zu sehen, doch beim Näherkommen bemerkt man schnell, dass die vermeintliche Mutter sehr jung ist. Es ist auch nicht die Mutter, es ist die große Schwester!
Zwar fordert der Kleine ihre Aufmerksamkeit lautstark ein, doch sie hat offensichtlich anderes im Kopf, als   den "Babysitter" zu spielen... und so ist die erwachsene Schwester mit ihren Gedanken ganz woanders.
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Waldemar Grzimek schuf die Gruppe "Geschwister" 1957.
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"Niemand kann leugnen, dass die 'Geschwister' Lebensfreude ausstrahlen.(...) Den Kopf ein wenig schnippisch in den Nacken geworfen, eine Bewegung, die auch zu einer leichten Zurücknahme des Oberkörpers führt, so bietet sich das Mädchen unseren Blicken dar. (...) (Grzimek) hat das linke Bein des Mädchens nach vorn geschoben, und zwar so weit, dass es den kleinen Bruder, diesen drolligen Knirps, halb verdeckt. Verdecken bedeutet hier beschützen. Keckheit und Mütterlichkeit fließen in eins zusammen, und das gefällige Sichdarbieten drückt zugleich Abwehrbereitschaft aus." (Georg Piltz, Deutsche Bildhauerkunst, Verlag Neues Leben, Berlin 1962)

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"Geschwister" von Waldemar Grzimek, 1957


Sitzendes Mädchen

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Liegen, stehen, sitzen - die Variationsmöglichkeiten der Körperhaltungen sind begrenzt und doch unendlich vielfältig in der konkreten Ausprägung. René Graetz (1908-1974) erschuf mit dem "Sitzenden Mädchen" eine Figur voller Gegensätze. Eigentlich könnte die junge Frau ja ganz entspannt "einfach nur so dasitzen", doch mit den angewinkelten Beinen und dem selbst festgehalten Arm scheint sie voller innerer Spannung zu sein. Die Figur entstand 1958.

Sitzende
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Traktoristin

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"Das ist doch nicht die DDR, die wir abbilden wollen. Wir brauchen Konflikte!", fordert einer der Redakteure. Er will Frauen in Männerberufen sehen, Menschen, die unter dem System gelitten haben, (...) das bringe Quote. Von der Filmfirma unter Druck gesetzt, liefert Isabella (Krause) schließlich auf ihre Weise die gewünschten TV-Protagonisten.
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Ob die Traktoristin in ihrem Beruf gelitten hat, wissen wir nicht... Stiefel und Arbeitskleidung verbergen nicht die Weiblichkeit der jungen Frau. Sie steht fest mit beiden Beinen auf dem Boden, denn so schnell macht niemand ihr etwas vor. Die Darstellung werktätiger Menschen war in der DDR oft Gegenstand künstlerischer Arbeiten sowohl in der bildenden Kunst als auch zum Beispiel auf den Titelseiten der Illustrierten. Mit den "Frauen in Männerberufen" und der propagierten Gleichberechtigung sollte eine  fortschrittliche Gesellschaft bewiesen werden...
Der Bildhauer Walter Arnold (1909-1975) gestaltete die Figur der Traktoristin im Jahr 1952, drei Jahre nach Gründung der DDR. Dreißig Jahre nach dem Ende dieses Landes beschreibt die Autorin Kathrin Aehnlich auf köstlich humorvolle Weise Erinnerungen an die Zeitepoche DDR und die heute damit verbundenen Klischees - dabei zeigt sie auch, wie das Bild selbstbestimmter Frauen immer noch zu Irritationen führt...
Lesetipp: Kathrin Aehnlich: Wie Frau Krause die DDR erfand, Verlag Antje Kunstmann, München 2019


Am Ende unseres kleinen (nicht vollständigen) Rundganges sollen drei Arbeiten von Fritz Cremer (1906-1993) aus den Anfangsjahren stehen:

Helden

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Bei Cremers "Helden"relief wird man an Darstellungen antiker Schlachtengemetzel auf einer griechischen Vase erinnert, wozu insbesondere die Schwerter und langen Spieße beitragen sowie die extremen Körperhaltungen.
Die bitterböse Satire entstand 1947, zwei Jahre nach Beendigung des mörderischen Krieges.


Freiheitskämpfer

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Den "Freiheitskämpfer" schuf Fritz Cremer im Jahr 1947 in Wien, wo man ihn 1946 zum Professor an die Hochschule für angewandte Kunst berufen hatte. Die Plastik ist auch im Gedenken an seine hingerichteten Freunde der "Roten Kapelle" entstanden, einer Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus.
Die Figur des Freiheitskämpfers hat nichts mit den häufig heroisierenden anderen Heldendenkmälern gemein. Die Arme überkreuzt nach vorn gestreckt, so als ob sie gefesselt wären (oder waren), die Gedanken ganz nach innen gerichtet - so steht der Mann vor uns. Er macht einen vorsichtigen Schritt nach vorn, es ist wie ein erster Schritt aus der Unfreiheit heraus...  In Cremers Werk sind die Befreiung und Selbstbefreiung des Menschen  zentrale Themen. Cremers Plastiken finden sich an mehrere Standorten, den Freiheitskämpfer kann man u. a. auch in ->Magdeburg oder Bremen entdecken.

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Stürzender

Wozu Menschen in ihrer Verblendung fähig sind, darf niemals in Vergessenheit geraten. In mehreren Entwürfen setzte sich Fritz Cremer in zähem Ringen mit der Gestaltung des Mahnmals für das KZ Buchenwald auseinander, der Stürzende (1955) gehört zu den zentralen Figuren der Buchenwald-Gruppe. Er stürzt, aber er ist nicht gebrochen - noch im Fallen reckt er die Fäuste.


Stürzender
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Sorgen wir dafür, dass es niemals wieder Anlässe für solche Mahnmale gibt, dass diese Art von Denkmälern in friedlichen Parkanlagen stehen können und dass auch das kleinste Lebewesen keine Angst vor einer Faust haben muss...


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