Extras: Kunstwerke, Figuren und Reliefs in aller Welt: Mosaikkunst

Frühchristliche Mosaiken in Rom

Santa Prassede


Bild "Rom_SPrassede1_01.jpg"Bild "Rom_SPrassede1_02.jpg"
Nicht weit entfernt von Santa Pudenziana in Rom befindet sich die "Schwesterkirche" Santa Prassede. Der Legende nach soll Praxedis die Schwester von Pudenziana gewesen sein. Beide Frauen, Töchter des römischen Senators Pudens, sollen sich zur Zeit von Petrus und Paulus zum Christentum bekannt haben. Praxedis soll zum Tode verurteilte Christen auf dem Grundstück ihres Vaters begraben und ihr Blut in einem Brunnen gesammelt haben (so die Heiligenlegende). An diese Geschichte wird heute durch das barocke Altarbild (die heilige Prassede sammelt das Blut der Märtyrer) und mit einer großen roten Porphyrplatte in dem wunderbar gestalteten Kosmaten-Fußboden der Kirche erinnert. Von dem ersten Oratorium des 2. Jahrhunderts und der ursprünglichen Kirche (Titulus Praxedis) des 5. Jahrhunderts ist nichts mehr vorhanden, die heutige Kirche ließ Papst Paschalis I. (817-824) nach dem Vorbild von Alt Sankt Peter grundlegend neu erbauen.

Bild "Rom_SPrassede1_03.jpg"Bild "Rom_SPrassede1_04.jpg"
Kosmatenfußboden mit roten Porphyrkreisscheiben

Paschalis I. verwirklichte mit der Überführung zahlreicher Reliquien für viele neugebaute Kirchen, vor allem aber mit ihrer prachtvollen Ausstattung, einen konkreten Plan, der heute als karolingische Renaissance bezeichnet wird.

Das große Apsismosaik von Santa Prassede


Bild "Rom_SPrassede1_05.jpg"
Eingang zur Krypta
Bild "Rom_SPrassede1_06.jpg"
Presbyterium
Das Mosaik nimmt das ikonographische Programm der Kirche Cosmas und Damian (beim Forum Romanum) aus dem 6. Jahrhundert wieder auf. Leider wird die Ansicht durch das auf Porphyrsäulen ruhende Dach des Ziboriums im Allerheiligsten, dem Presbyterium, beeinträchtigt. Das Presbyterium wurde zwischen 1728 und 1734 im barocken Stil neugestaltet, um den Altarraum wirkungsvoller hervorzuheben. (In der Krypta sollen sich die Reliquien von 2300 Märtyrern befinden.)

Foto: H. Brünig, 2023
Bild "Rom_SPrassede1_12.jpg"
Im Zentrum der Apsiskalotte steht Christus hochaufgerichtet zwischen farbigen lichtbeschienenen Wolken. Es ist die Darstellung seiner Wiederkehr (Parusie). Christus trägt eine Tunika und Sandalen, seinen Kopf umgibt ein Heiligenschein mit blauem Kreuz. Er hat die rechte Hand erhoben, in der linken hält er die Schriftrolle (die Gesetzesrolle, die er an Petrus übergeben wird - traditio legis), aus den Wolken reicht Gottvater den Kranz (Glorie) herab.
Bild "Rom_SPrassede1_11.jpg"Bild "Rom_SPrassede1_15.jpg"
Links von Christus steht Petrus mit Tunika und Umhang, er legt seinen Arm um die hl. Pudenziana und stellt sie Christus vor. Pudenziana ist kostbar geschmückt und gekleidet, sie trägt ein Diadem auf dem Kopf und einen weißen Schleier, mit dem sie ihre Hände bedeckt und eine Krone hält. Das ist eine uralte Tradition: Nähert man sich dem Herrscher, um ihm ein Geschenk zu überreichen oder vielleicht eines zu bekommen, dann bedeckt man seine Hände. Noch weiter links (vom Betrachter also ganz rechts) steht ein nicht identifizierter Geistlicher in liturgischer Kleidung (eine Dalmatica mit weiten Ärmeln), an den Füßen die Campagi, das besondere Schuhwerk für die Liturgie.

Bild "Rom_SPrassede1_08.jpg"
Rechts von Christus (also links vom Betrachter) steht Paulus: Er legt ebenfalls seinen Arm um die hl. Praxidis/Prassede und stellt sie Christus vor. Paulus trägt auf seiner Kleidung den griechischen Buchstaben P (Rho). Auch die hl. Prassede ist reich geschmückt, sie trägt ein Diadem und hält in den bedeckten Händen den Kranz bzw. die Krone. Die Krone ist das Zeichen des Martyriums.
Bild "Rom_SPrassede1_10.jpg"
Rechts neben der hl. Prassede finden wir den Erbauer/Stifter der Kirche, Papst Paschalis I. Er bietet in seinen (bedeckten!) Händen das Modell der Kirche dar. Paschalis trägt liturgische Kleidung, u. a. das weiße Pallium und an den Füßen die Campagni, das spezielle liturgische Schuhwerk. Der Nimbus von Paschalis ist rechteckig, das deutet auf eine zur Zeit der Darstellung noch lebende Person hin.
Diese sieben Personen stehen mit ihren Füßen am Ufer des Flusses Jordan. An den beiden Seiten wird die Gruppe von zwei Palmen gerahmt, sie sind als Lebensbäume ein Verweis auf das Paradies. Auf einem Ast der linken Palme sitzt ein kleiner Vogel mit einem kleinen strahlenden Nimbus. Das ist der Vogel Phönix - er ist unsterblich, denn er wird stets wiedergeboren -, im Christentum ist er ein Symbol für die Auferstehung.

Bild "Rom_SPrassede1_16.jpg"Bild "Rom_SPrassede1_14.jpg"
In der Mitte des unteren Teils des Apsisgewölbes wird Christus als Lamm dargestellt (leider durch das Ziborium verdeckt), von links und rechts kommen weitere 12 Lämmer auf ihn zu. Sie symbolisieren die 12 Apostel und kommen aus den Toren zweier Städte, Bethlehem (links) und Jerusalem (rechts). Die zwei Städte stehen für die beiden Glaubensrichtungen (Heidentum und Judentum) aus denen das Christentum entstand. Ihre Stadtmauern sind mit Edelsteinen verziert, die Tore sind offen. Unter dem Zug der Lämmer liest man die Inschrift:
EMICAT AVLA PIAE VARIIS DECORATA METALLIS
PONTIFICIS SVMMI STVDIO PASCHALIS ALVMNI
PLVRIMA SCORVM SVBTER HAEC MOENIA PONIT
PRAXEDIS DNO SVPER AETHRA PLACENTIS HONORE
SEDIS APOSTOLICAE PASSIM QVI CORPORA CONDENS
FRETVUS UT LIMEN MEREATVR ADIRE POLORVM.
("Diese fromme Wohnstatt glänzt durch den Schein der verschiedenen Metalle, aufgrund des Eifers des Höchsten Priesters Paschalis; er legte unter diese Mauern die Körper zahlreicher Heiliger, den von Prassede, geliebt vom Herrn, in den Himmeln; zur Ehre des apostolischen Sitzes, und verleiht ihnen ein Begräbnis im Vertrauen, dass er sich durch sie den Zugang zur himmlischen Wohnstatt verdient.") /1/

Das Mosaik am Apsisbogen


Bild "Rom_SPrassede1_18.jpg"Bild "Rom_SPrassede1_19.jpg"Bild "Rom_SPrassede1_20.jpg"

Bild "Rom_SPrassede1_17.jpg"Bild "Rom_SPrassede1_21.jpg"
Im Zentrum des Bogens vor der Apsis wird das Lamm auf einem Thron dargestellt, unter ihm das Buch mit den sieben Siegeln, neben ihm sieben Leuchter. Dann folgen auf kleinen Wölkchen links und rechts je zwei Engel sowie die vier geflügelten Wesen der Apokalypse, die auch mit den Symbolfiguren der Evangelisten in Verbindung gebracht werden: links der Löwe (für Markus) und der Mensch (für Matthäus), rechts der Adler (für Johannes) und der Stier (für Lukas). Darunter halten erwartungsvoll die 24 Ältesten mit verhüllten Händen Kränze oder Kronen dem Lamm entgegen.

Das Mosaik am Triumphbogen


Bild "Rom_SPrassede1_24.jpg"Bild "Rom_SPrassede1_25.jpg"Bild "Rom_SPrassede1_26.jpg"Bild "Rom_SPrassede1_27.jpg"Bild "Rom_SPrassede1_28.jpg"
Die mit Edelsteinen geschmückte Mauer in der Mitte des Bogens symbolisiert die himmlische Stadt Jerusalem. Hier herrscht Christus, angetan mit einer roten Tunika, die Schriftrolle in der Hand. Er wird von zwei Engeln (mit blauem Nimbus) unterstützt; unterhalb der Engel sind Maria (links vom Betrachter) und Prassede (rechts vom Betrachter) dargestellt. Sie führen die Reihe von Heiligen an, die mit verhüllten Händen Kronen bzw. Kränze darbieten. Beschlossen wird die Reihe links von dem erhöht stehenden Moses (mit Gesetzestafel in der Hand) und rechts vom Propheten Elias und einem weiteren Engel in roter Tunika. In den beiden offenen Stadttoren begrüßen Engel die herandrängende Menge Auserwählter.
Bild "Rom_SPrassede1_29.jpg"Bild "Rom_SPrassede1_30.jpg"
Diese werden von zwei weiteren Engeln über eine blumengeschmückte Wiese zu den Toren geleitet, auf der rechten Seite begleiten Petrus und Paulus die Geretteten.
Die seitlichen Bogenzwickeln darunter zeigen eine große Menge weißgekleideter Menschen, die Palmwedel oder Märtyrerkränze in ihren Händen halten. Vielleicht stellen sie ja die vielen Märtyrer dar, deren Reliquien Paschalis angeblich hierherbringen ließ. Leider beeinträchtigt der barocke Umbau die Ansicht.
Bild "Rom_SPrassede1_32.jpg"
Die Unterseite des Bogens wurde im 19. Jhahrhundert nach alter Vorlage erneuert, florale Motive schmücken sie.

Bild "Rom_SPrassede1_31.jpg"

Man sollte ein paar Schritte zurücktreten, um die drei Mosaikwände in ihrer Komplexität wahrnehmen zu können. In grandioser Weise wird in ihnen die Apokalypse, in der Offenbarung des Johannes, illustriert. Dabei ist in den Darstellungen nichts dem Zufall überlassen, jedes Detail, jedes Symbol verweist auf die endzeitliche Wiederkehr Christi und den Anbruch einer neuen Zeit, auf die so große Hoffnung gesetzt wurde.

Die Kapelle San Zeno

Bild "Rom_SPrassede2_01.jpg"
Vom rechten Seitenschiff aus gelangt man in einen kleinen gewölbten Raum, den Paschalis als Grabkapelle für seine Mutter Theodora einrichten ließ und dem hl. Zeno weihte. Das Gewölbe und die Wände sind mit Mosaiken geschmückt, so dass schon in den Reiseführern des Mittelalters von einem "Paradiesgärtlein" die Rede war.
Es beginnt bereits am Eingang: Über dem Säulenportal steht eine symbolische Urne auf dem Türsturz, welche bogenförmig von Mosaiken in einem rechteckigen Feld eingerahmt wird. Im Scheitel des inneren Bogens erkennen wir Maria mit dem Jesuskind, links und rechts von Heiligen begleitet. Im Bogen darüber gebührt der zentrale Platz Christus, umgeben von den zwölf Aposteln. Die beiden Figuren in den Zwickeln sind nicht näher bestimmt, vielleicht handelt es sich um Moses und Elias. Die beiden Papstdarstellungen unten stammen allerdings aus dem 19. Jahrhundert.

Bild "Rom_SPrassede2_04.jpg" Bild "Rom_SPrassede2_05.jpg" Bild "Rom_SPrassede2_06.jpg"
 Bild "Rom_SPrassede2_02.jpg" Bild "Rom_SPrassede2_03.jpg"                          Bild "Rom_SPrassede2_07.jpg" Bild "Rom_SPrassede2_08.jpg"

Im Innern der Zeno-Kapelle

Bild "Rom_SPrassede2_14.jpg"
Christus holt Adam und Eva aus der Hölle
Der Innenraum der Kapelle ist prachtvoll ausgestaltet. Mit den Darstellungen in den Nischen, an den Wänden und im Gewölbe wird ein theologisches Programm verwirklicht. So finden wir zum Beispiel in der einen Nische den Bezug auf den Psalm 42: Dargestellt wird das Lamm mit Hirschen, die ihren Durst in den Flüssen stillen. Darunter befinden sich vier Frauengestalten - Maria und die beiden Schwestern Prassedes und Pudentiana, links (mit rechteckigem Nimbus als Hinweis auf noch lebend) Theodora, die Mutter von Papst Paschalis. Letztere ist namentlich bezeichnet und außerdem mit der Inschrift "EPISCOPA" versehen. Darüber kann man diskutieren: War Theodora vielleicht sogar eine Bischöfin? Das wäre ja mal interessant...
Daneben ist im Innenbogen Christus zu sehen, wie er, umgeben von Strahlen und begleitet von einem Engel, in die Hölle hinabsteigt und das erste Menschenpaar, Adam und Eva, wieder heraufholt.

In der Kapelle des San Zeno
Bild "Rom_SPrassede2_09.jpg"Bild "Rom_SPrassede2_10.jpg"
Bild "Rom_SPrassede2_11.jpg"Bild "Rom_SPrassede2_12.jpg"Bild "Rom_SPrassede2_13.jpg"

Christus tritt uns in der Kapelle noch mehrmals entgegen: so in den Lünetten, den halbrunden Bogenfeldern.  Nicht immer können die Begleitpersonen identifiziert werden. Als "Weltenherscher" (Pantokrator) schaut er jedoch von oben herab: In den vier Ecken der Kapelle stehen vier Säulen mit vergoldeten Kapitellen. Sie "tragen" vier Engel, die wiederum das Rundmedaillon mit Christus im Zentrum des Gewölbes stützen. (Tatsächlich haben die Säulen keine echte tragende Funktion. Doch durch diesen architektonischen Kniff ensteht ein starker Eindruck, so als ob die Engel aus den Säulen herauswachsen würden!)

Christus Pantokrator
Bild "Rom_SPrassede2_19.jpg"Bild "Rom_SPrassede2_18.jpg"
Bild "Rom_SPrassede2_17.jpg"Bild "Rom_SPrassede2_16.jpg"Bild "Rom_SPrassede2_15.jpg"

Unterhalb des Pantokrators verweisen Petrus und Paulus auf den goldenen und edelsteinbesetzten, allerdings leeren Thron. Nur ein goldenes Kreuz liegt auf dem Kissen. Der leere Thron symbolisiert das Warten auf Christi Wiederkehr. Diese Wiederkehr sollte ja nach den Vorstellungen der ersten Christen unmittelbar bevorstehen. Bekanntlich passierte bis jetzt aber nichts...
Bild "Rom_SPrassede2_23.jpg"
Altarmosaik, 13. Jh.
Bild "Rom_SPrassede2_22.jpg"
Agnes, Pudenziana, ein Scheinfenster
und Prassede
Doch an den Wänden der Kapelle wird der Erwartung der Wiederkehr vielfach Ausdruck gegeben. Wir finden neben Petrus und Paulus neben dem Fenster vor dem leeren Thron darüber an der nächsten Wand die hl. Agnes, die hl. Pudenziana und (rechts neben dem Scheinfenster) die hl. Praxedis, an der darauffolgenden Altarwand Maria und Johannis als Fürbitter (mit einem Fenster dazwischen) und an der vierten Wand Johannes, ein Scheinfenster sowie Andreas und Jakobus. Die Fenster (auch die Scheinfenster) stehen symbolisch für Christus, er ist das Licht!
Das Altarmosaik in der Kapelle unterscheidet sich stilistisch von den Wandmosaiken, es wird auf die Mitte des 13. Jahhunderts geschätzt. Hingegen stammen die Wandmosaiken in der Basilika Santa Prassede alle aus der Erbauungszeit im 9. Jahrhundert.

Das ikonographische Programm der Apsismosaiken von Santa Prassede hat in der Kirche Santi Cosma e Damiano seinen Vorläufer. Schauen wir uns doch im Anschluss jetzt dort um:
Bild "2_next.png"
nach Santi Cosma e Damiano

-------
Quellenangabe und Zitat aus:
/1/ Die Basilika von Santa Prassede, S. 13; IV edizione Gennaio 2014, B.N. Marconi, Genua