Figuren, Reliefs und Denkmale am Wege, in kleinen und größeren Orten:

Im Dessau-Wörlitzer Gartenreich - Skulpturen im Wörlitzer Park: Teil 2

Ruhender Hermes


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Hermes ist ein Vielbeschäftigter: Als Götterbote überbringt er die Botschaften der Götter, aber er ist auch der Gott des Reisens, der Kaufleute, der Diebe und vieler anderer noch. Außerdem geleitet er die Seelen der Toten in die Unterwelt. Mit seinen geflügelten Schuhen ist er sehr schnell - er soll sogar schneller als das Licht sein... (Das darf man allerdings seit Einstein bezweifeln.) Hier in Wörlitz ruht er sich aus. Friedrich Franz II. von Anhalt erwarb die Bronzefigur des sitzenden jungen Mannes 1914 in Italien. Sie ist eine Kopie der 1758 in Herkulaneum gefundene Figur, die selbst eine antike römische Bronzekopie eines nicht erhaltenen griechischen Originals ist.

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Für Winckelmann gehörte der Hermes zu den schönsten Werken, die in Herkulaneum entdeckt wurden. Im "Sendschreiben" heißt es: "Der Mercurius aber, welcher unter allen Statuen zuletzt gefunden worden, ist die schönste unter allen".
Seltsamerweise sind in Wörlitz (im Gegensatz zu der Plastik im Winckelmann-Museum in Stendal -> vergleiche hier) an den Sandalen keine "Flügel" zu erkennen.

Dornauszieher

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So kann es gehen, wenn man keine echten Sandalen anhat (oder wie bei "7 vs. Wild", Staffel 2, barfuß herumläuft ;-)) - plötzlich ist der Dorn drin im Fuß. Es ist mühsam, den Dorn herauszuziehen.
Die berühmte antike Bronzefigur des Dornausziehers kann man original in den Kapitolinischen Museen in Rom bewundern. Einen antiken Dornauszieher aus Marmor findet man dagegen im Britischen Museum in London. Und nicht zu vergessen: Im Dom zu Magdeburg gibt ebenfalls einen ganz kleinen Dornauszieher - diesmal aus dem 12. Jahrhundert!

  Das Motiv des Dornausziehers
ist bis in die Neuzeit immer
wieder aufgegriffen worden.
Im Mittelalter wurde der Dorn-
auszieher auch als Mensch, den
der Stachel der Sünde quält,
gedeutet und als Symbol des
Heidentums gesehen, das es
zu überwinden gilt.
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Für die Darstellung wird das Javascript "Slideshow" von Andreas Berger verwendet.

Kleine Galerie der "Dornauszieher"

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V.l.n.r.: 1) Stendal, im Winckelmannmuseum; 2) Vezelay, Dornauszieher (?) im Tympanon von
St-Madeleine; 3) u. 4) Magdeburg, im Dom, Grabmal Erzbischof Friedrich von Wettin; 5) Rom,
Antike Bronze in den Kapitolinischen Museen


Sterbender Gallier

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Sterbender Gallier in Wörlitz
In den Kapitolinischen Museen in Rom befindet sich die römische (Marmor-) Kopie einer der berühmtesten antiken Figuren: Der "sterbende Gallier". Das bronzene Original aus hellenistischer Zeit um etwa 230 v.u.Z. (heute leider verschollen) war Teil eines Siegesdenkmals. König Attalos I. von Pergamon ließ das Denkmal nach dem Sieg über die Galater (damit sind die Kelten/die Gallier gemeint) errichten.
Die Griechen bewunderten die Gelassenheit und den Stolz der Besiegten - der durch einen tiefen Lanzenstich in die rechte Brust verwundete Kämpfer erwartet ruhig und gefasst seinen langsamen Tod. Mit letzter Kraft stützt er sich auf den rechten Arm. Das Schwert liegt neben ihm. Dieser Gallier hat nackt gekämpft, er ist nur mit dem typischen keltischen Halsring (Torques) bekleidet. Der Schnurrbart kennzeichnet ihn als einen keltischen Adligen.

Wörlitz: Sterbender Gallier
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Für die Gartenbesucher im 18. Jahrhundert - Fürst Franz von Anhalt Dessau hatte den "sterbenden Gallier" 1765 in Rom kennengelernt und ließ durch den Bildhauer Johann Christian Ehrlich eine Kopie für Wörlitz anfertigen - sollte die Skulptur Anlass geben, über den eigenen Tod nachzudenken. Nicht zuletzt trägt auch der dahinterliegende Gartenbereich den Namen "Elysium". Nach dem 1. Weltkrieg wurde die Figur des "sterbenden Galliers" Vorlage für zahlreiche Kriegerdenkmäler "mit denen der Soldatentod an der Front heroisiert und für eine nationalistisch-revanchistische Propaganda vereinnahmt wurde". (Norbert Schnabel)

Rom: Sterbender Gallier
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In welch wunderbaren Welt könnten wir leben, wenn solcherart Denkmäler unnötig wären!


Das Wallwachhaus zum Pferde

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Das Schöne mit dem Nützlichen verbinden - der Wahlspruch des Fürsten Franz trifft im Gartenreich von Dessau-Wörlitz auch für den Hochwasserschutz zu: In den sogenannten Wallwachhäusern konnten Materialien und Geräte für die Deiche gelagert werden, wenn nötig fand eine Wachmannschaft in ihnen Unterkunft. Die einzelnen Wallwachhäuser sind unterschiedlich gestaltet, das "Wallwachhaus zum Pferde" im Wörlitzer Park ist einem Grabmal am Eingang zur Villa Hadrian (Rom, Tivoli) nachempfunden. Das Relief mit dem sich an ein Pferd lehnenden jungen Mann schuf der Bildhauer Johann Christian Ehrlich 1769.

Der Sommersaal

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Während des Sommers speiste hier gelegentlich die fürstliche Hofgesellschaft. Im Winter diente der Saal als Gewächshaus. Zu diesem Zwecke wurden - später fest installierte - Glastüren eingesetzt.
Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736-1800) orientierte sich bei seiner Gestaltung am Palazzo Farnese in Rom, einem Werk der Renaissance. Der Entwurf des Baumeisters ist zwischen 1771 und 1772 wohl nur vereinfacht ausgeführt worden.
(kursiv: Texttafel am Sommersaal)

Die Skulpturen im Sommersaal

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Den klassizistischen Anschauungen entsprechend diente der Sommersaal auch als Aufstellungsort antiker Plastiken. Wohl aus Mangel an Originalen - die Antikensammlung des Fürsten war erst im Entstehen - beschränkte man sich auf die Dekoration mit Gipsabgüssen.
Ursprünglich standen noch weitere Plastiken auf Sockeln im Raum: eine Venus und eine Thalia.
Die von August Rode 1788 in seiner Beschreibung des Wörlitzer Gartens erwähnten Namen der Plastiken entsprechen nicht mehr in jedem Fall den Erkenntnissen der modernen Archäologie.
(kursiv: Texttafel am Sommersaal)

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Und wer steht da jetzt in den Nischen? Zum Glück gibt es eine Hinweistafel, auf der die Skulpturen benannt werden:

1. Einschenkender Satyr des Praxiteles, um 360 v. Chr., Original in Dresden, Skulpturensammlung
2. Apollo, 4. Jh. v. Chr., Original in Florenz (Uffizien)
3. Kleine Herkulanerin (von Rode als Vestalin bezeichnet), 2. Hälfte d. 1. Jh. v. Chr., Original in Dresden, Skulpturensammlung
4. Sogenannter Idolino (von Rode als Athlet bezeichnet), 2. Hälfte d. 1. Jh. v. Chr., Original in Florenz, Archäologisches Museum
5. Meleager, um 350 v. Chr., Original in Dresden, Skulpturensammlung
(nach: Texttafel am Sommersaal)

Ceres und Fortuna am Eingang des Schlosses

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Zum Abschluss schauen wir uns noch einmal das Wörlitzer Schloss an: Der dreigeschossige Backsteinputzbau ist hellgelb gestrichen. An der nach Süden liegenden Hauptfront befindet sich eine Vorhalle mit vier korinthischen Säulen, eine Freitreppe führt zu ihr hinauf. Im Dreicksgiebel lesen wir die lateinische Inschrift:
FRANCISCVS.PR.AEDIF.INSTRVXIT.LVDOVICAE.CONIVGI.DIGNISS.D. - was etwa bedeutet: Fürst Franz ließ das Schloss für seine würdige Gemahlin Luise erbauen. Über dem Haupteingang befindet sich eine weitere Inschrift: Liebe und Freundschaft haben es erbaut, Einigkeit und Ruhe mögen es bewohnen, so werden häusliche Freuden nicht fehlen.

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Links: "Ceres"
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Rechts: "Fortuna"
Zu beiden Seiten des Einganges stehen zwei (vom Bildhauer Ehrlich 1774 geschaffene) Skulpturen in bogenförmigen Nischen. Links sehen wir Ceres, die Göttin des Ackerbaus (sie hält ein Ährenbündel in der rechten Hand), rechts handelt es sich um Fortuna, die Göttin des Glücks und des Gelingens. Hier wird das "...geistige Programm offenbart: Dort, wo Ceres, das Nützliche, die Voraussetzungen schafft, wird Fortuna ihre Gaben in reichem Maße spenden und das Schöne gegenwärtig sein können". (Reinhard Alex)
Und Fortunas Füllhorn ist gut gefüllt. Doch was für ein seltsames Instrument hält sie in der Rechten? Es ist ein Ruder, neben dem Füllhorn eines ihrer weiteren Attribute. (Häufig wird sie auch mit dem Schicksalsrad oder auf einer rollenden Kugel dargestellt.) Die Fortuna in Wörlitz mit Füllhorn und Ruder ist der antiken Skulptur im Braccio Nuovo in den Vatikanischen Museen nachempfunden.

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