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Romanische Dorfkirchen in Magdeburgs Umgebung*) - Teil 5
Rechts der Elbe: Dorfkirchen und Kirchtürme zwischen Gommern und Zerbst
Dorfkirchen im SO Magdeburgs
(unter Verwendung OSM)
Dorfkirche in Moritz
Viele alte Dorfkirchen im Umkreis von Magdeburg stammen aus der Zeit der Romanik und erinnern mit ihren trutzigen Türmen (meistens sind es Westquertürme) an das umfangreiche Baugeschehen im 12./13. Jahrhundert. Kommen Sie mit auf eine kleine Entdeckungsrunde zu romanischen Türmen (und Dorfkirchen) - wir setzen die begonnene Runde im Südosten Magdeburgs rechts der Elbe fort... Die Elbe war lange Zeit so etwas wie eine natürliche Grenze zwischen der slawischen und germanischen Bevölkerung, viele Ortsnamen rechts der Elbe sind slawischen Ursprungs.
*) Der Begriff Umgebung von Magdeburg ist bezüglich der Entfernung willkürlich gewählt, die Auswahl der Objekte ist wie immer rein zufällig, stellt keine Bewertung dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Dorfkirche Plötzky
Roland in Plötzky
Dorfkirche Plötzky
In Plötzky wird im frühen Mittelalter (700-900) ebenfalls eine slawische Siedlung vorhanden gewesen sein. Im 11. und 12. Jahrhundert wurden mit der Kolonisation der Gebiete östlich der Elbe das Christentum verbreitet und an vielen Orten Kirchen errichtet. Der Bau der Maria-Magdalenen-Kirche in Plötzky wird auf etwa 1170 datiert. Plötzky war damals ein nicht unbedeutender Ort, hier gab es ein Zisterzienser-Nonnenkloster (1210-1534), es wurde der begehrte Baustoff Quarzit abgebaut und es soll sogar ein Roland vorhanden gewesen sein, was auf städtische Rechte hindeutet. Mit Auflösung (und dem vollständigen Verschwinden) des Klosters verliert Plötzky seine Privilegien, auch der 30-jährige Krieg spielte dem Ort übel mit. Seit 2005 hat Plötzky jetzt wieder einen Roland, er steht unweit der Kirche.
Die Dorfkirche in Plötzky ist eine weitestgehend erhaltene romanische Anlage, ursprünglich aus Westquerturm, Schiff, Chor und Apsis bestehend. Darüber hinaus war ein Seitenschiff vorhanden, wovon noch heute die vermauerten großen Bogenöffnungen in der Südwand zeugen. Die eigentliche Funktion des Seitenschiffes bleibt unbekannt, vielleicht wurden hier zu besonderen Anlässen die Reliquien des einst bedeutenden Klosters zur Schau gestellt. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Kirche beschädigt, bei den späteren Umbauten wurde dann die Apsis beseitigt und der verlängerte Chor bekam einen geraden Abschluss. Im Innern der Kirche haben sich der romanische Taufstein, das Chorgestühl aus dem ehemaligen Kloster und verschiedene barocke Ausstattungsstücke erhalten.
Die kleinen Fenster auf der Nordseite des Kirchenschiffes stammen aus romanischer Zeit.
Die kleinen Fenster auf der Nordseite des Kirchenschiffes stammen aus romanischer Zeit.
Der mächtige Westquerturm (Mauerstärke über 1 Meter) ist 9,20 Meter breit, 5,85 Meter tief und erreicht 17 Meter Höhe. Nur ein kleines Rundfenster (Okulus) auf der Westseite und schmale übereinander liegende Schlitze auf der Südseite des Turmes beleuchten unten das Innere.
Dorfkirche Pretzien
Auch Pretzien ist eine ursprünglich slawische Siedlung, die wahrscheinlich irgendwann zwischen 650 und 900 gegründet wurde.
Gegen 1140 ließen die im nahegelegenen Leitzkau ansässigen Prämonstratenser die heute zur "Straße der Romanik" gehörende Dorfkirche St. Thomas erbauen. Der Bau ist eine flachgedeckte Saalkirche mit über die Schiffsbreite vorspringendem Westquerturm, eingezogenem quadratischen Chor und halbrunder Apsis (ein sogenannter "vollständiger" Typ). Die einzelnen Gebäudeteile werden durch ein Sockelprofil verbunden, die Apsis ist darüber hinaus mit Schmuckelementen (Bogenfries und Lisenen) versehen.
Der Turm ist 11,50 Meter breit und ragt jeweils ca. 0,90 Meter über die seitlichen Schiffswände hinaus. Es fällt auf, dass er nur etwa die Höhe des Dachfirstes vom Schiff erreicht, vielleicht gab es ja ursprünglich noch ein weiteres Geschoss für die Glocken. Dieses Glockengeschoss fehlt heute leider, statt dessen erhebt sich hier ein 1793 aufgesetzter Fachwerkturm.
In der Westwand des Turmes befinden sich zwei Rundfenster (Okuli), die das dahinterliegende Turmuntergeschoss beleuchten. Das Mauerwerk der Kirche (einschließlich des Turms) ist sehr einheitlich und sorgfältig ausgeführt, so dass der gesamte Bau (außer des Eingangsbereichs und der modernen Anbauten im Norden) einer einheitlichen romanischen Bauphase angehört.
Die Dorfkirche St. Thomas in Pretzien birgt in ihrem Innern einen besonderen Schatz: Es sind die 1973 bei Restaurierungsarbeiten*) entdeckten Wandmalereien, die die überregionale Bedeutung der Kirche heute ausmachen.
Die Dorfkirche St. Thomas in Pretzien birgt in ihrem Innern einen besonderen Schatz: Es sind die 1973 bei Restaurierungsarbeiten*) entdeckten Wandmalereien, die die überregionale Bedeutung der Kirche heute ausmachen.
*) Das ist eine besondere Geschichte: Die Restauratorin Anna Maria Meußling entdeckte die übertünchten Wandmalereien und setzte sich mit ihrem Mann Rüdiger Meußling, damals Pfarrer der Gemeinde, für die Erhaltung und Restaurierung ein.
Dorfkirche Pretzien, Innenansicht mit
mittelalterlichen Wandmalereien
Johannes
Die im byzantinischen Stil gehaltenen Malereien in den Ostteilen sind (durch Stilvergleiche) in das 2. Viertel des 13. Jahrhundert zu datieren. Ihre außerordentliche künstlerische Qualität zeugt von der hohen Meisterschaft der beteiligten Künstler. Man kann annehmen, dass die Ausführenden einer Künstlerwerkstatt angehörten, die in Magdeburg und Umgebung tätig waren. Der Zyklus "führt exemplarisch die zu vermutende Qualität der mittelalterlichen Ausmalungen in den großen Sakralbauten Magdeburgs vor Augen, von denen keine nennenswerten Reste erhalten sind." (Jochen Roessle)
In der Apsiskonche haben die Bilder am besten überdauert - sie wurden al fresco gemalt -, die anderen (in al secco Technik) sind teilweise nur fragmentarisch erhalten und schwer zu deuten.
Apsiskonche: Darstellung einer Deesis, Christus in der Mandorla thront auf einer Sitzbank mit hoher Rückenlehne, rechts von ihm Maria, links Johannes. Im Hintergrund zwei Cherubim.
In der Apsis: Acht männliche und weibliche Heilige in der Fensterzone, weitere Heilige und Ornamente an den Wänden.
Obere Chorwände: Kluge (Südseite) und törichte (Nordseite) Jungfrauen, untere Wandzone: Teile der Jakobsgeschichte.
In der Apsis: Acht männliche und weibliche Heilige in der Fensterzone, weitere Heilige und Ornamente an den Wänden.
Obere Chorwände: Kluge (Südseite) und törichte (Nordseite) Jungfrauen, untere Wandzone: Teile der Jakobsgeschichte.
Weitere Malereien zeigen fragmentarisch die Opferung Isaaks, die Wurzel Jesse, Heilige und Evangelisten, die Geschichte des verlorenen Sohnes und das Gleichnis vom armen und reichen Mann (die Lazarusgeschichte).
Nichts mit der ursprünglichen Ausmalung zu tun haben die Darstellungen des Christophorus und der Seelenwaage an der nördlichen Schiffswand. Diese stammen frühestens vom Ende des 13. Jahrhunderts.
Es ist lustig zu sehen, wie die kleinen Teufel versuchen die Wägung zu ihren Gunsten zu entscheiden. Zum Glück ist die Jungfrau Maria dem Seelchen hilfreich zur Stelle.
Es ist lustig zu sehen, wie die kleinen Teufel versuchen die Wägung zu ihren Gunsten zu entscheiden. Zum Glück ist die Jungfrau Maria dem Seelchen hilfreich zur Stelle.
Informationstafel an der Straße der Romanik: Dorfkirche St. Thomas
Informationstafel
Wir setzen unseren kleinen Ausflug fort und gelangen nach
Dornburg
Schloss Dornburg
mit seinem prächtigen Schloss in der Elbniederung. Dornburg ist ein alter Burgward, der möglicherweise bereits im 10. Jh. existierte. Die alte Burg und die späteren Anlagen sind zerstört, verfallen oder abgebrannt; ein prächtiges neues Schloss wurde 1751-1755 für die Fürstin Johanna Elisabeth von Zerbst (die Mutter der späteren Zarin Katharina II.) als Witwensitz errichtet. Zu DDR-Zeiten wurde das Schloss als Archiv genutzt. In Nachwendezeiten ungenutzt, soll das Schloss inzwischen verkauft sein.
Mit dem Schlossneubau entstand um 1753/55 auch die kleine barocke Kirche. Sie ist im Gegensatz zum Schloss bewusst schlicht gehalten. Eingang und Turm befinden sich auf der Ostseite.
Mit dem Schlossneubau entstand um 1753/55 auch die kleine barocke Kirche. Sie ist im Gegensatz zum Schloss bewusst schlicht gehalten. Eingang und Turm befinden sich auf der Ostseite.
Prödel
... folgt später...Lübs
Lübs bestand (bis 1937) aus zwei Orten (Groß-Lübs und Klein-Lübs) mit jeweils eigenen Kirchen. Beide Kirchen sind leider heute Ruinen. Immerhin ist in Klein-Lübs noch der Turm (und etwas mehr) erhalten...
Gehrden
Wenn auch der vorherige Anblick etwas traurig stimmen mag, so freut man sich umso mehr über die schöne spätromanische Feldsteinkirche in Gehrden. Der gestaffelte Bau aus besteht aus Schiff, eingezogenem Chor und Apsis und einem wahrscheinlich später dazugekommenen, in frühgotischer Zeit erhöhten, Westquerturm. Der Turm ist 8,75 Meter breit und 6,35 Meter tief. Das Turmuntergeschoss öffnet sich innen mit einem Spitzbogen zum flachgedeckten Schiff. Dieses ist mit 8,75 Meter x 8,70 Meter nahezu quadratisch. Die Apsis ist mit einem Kegeldach versehen, dessen Dach eine "Mönch-Nonne-Deckung" aufweist.
Schiff, Chor und Apsis gehören dem romanischen Ursprungsbau an, ebenfalls die Portale des Schiffes und die Apsisfenster. "Wohl gegen Ende des 13. bzw. zu Beginn des 14.Jh.s wurde der Turm angefügt, indem man die Westwand des Schiffes entfernte. In diesem Zusammenhang wurden auch Teile der westlichen Schiffswände abgerissen, wodurch das auffallend kurze, fast quadratische Schiff entstand, das in dieser Form nicht ursprünglich sein kann." (Jochen Roessle, 1)
------------1) Jochen Roessle, Die Romanischen Dorfkirchen des Magdeburger Landes, Dissertation, Bonn, 2006
wird fortgesetzt...
Die anderen in der Karte markierten Kirchen folgen irgendwann. :-)
Es gibt noch viel mehr interessante Kirchen in diesem Gebiet, jetzt geht es aber erst einmal
zu den Warten (Warttürmen)