Türme an Feldsteinkirchen in der Altmark  - Teil 5: Südwestlich von Osterburg


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Dorfkirche in Erxleben
"Der Garten meiner Kindheit liegt in der Altmark, einer Gegend, die sich an Schönheit nicht auszeichnet, wenigstens wird das von Leuten behauptet, die keinen Sinn für die stille Schönheit der Mark haben." Berta von Kröcher, Aus dem Garten meiner Kindheit, 1916.
(aus: Horst Scholke, Stille Schönheit, Romanische Feldsteinkirchen in der Altmark, dr. ziethen verlag, Oschersleben, 1993)

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Karte: OpenStreetMap
Es ist tatsächlich still in den Dörfern, die man in der Altmark mit seinem Fahrrad entspannt erfahren kann. Noch ist die Autobahn nicht gebaut. Die Entfernungen zwischen den Dörfern sind kurz, schon bald wird man nach Verlassen des einen Ortes vom Kirchturm des nächsten begrüßt. Trutzig stehen diese Türme seit 800 oder mehr Jahren bereits hier. Kommen Sie mit auf eine kleine Runde, wir starten südlich von Osterburg (neben der B 189) in

Erxleben

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Der stattliche spätromanische Feldsteinbau (um 1150?) liegt auf einer kleinen Anhöhe mitten im Dorf. Das Mauerwerk des hohen Westquerturms ist ganz ordentlich ausgeführt, insbesondere die Ecken sind von guter Qualität. Bei den vier Raumteilen Turm, Schiff, eingezogenem Chor und Apsis spricht man von einer vierteiligen (oder vollständigen) Form. In Erxleben wurde die ursprünglich halbkreisförmige Apsis im 15. Jahrhundert durch ein siebenseitiges Polygon ersetzt. Auch alle Fenster sind in der Barockzeit (1. Hälfte 18. Jh.) bis auf die beiden Fenster der Chorsüdseite verändert/vergrößert und mit Backsteinlaibungen versehen worden. Backsteinlaibungen zeigen auch die gekuppelten spitzbogigen Schallöffnungen des Turmes und Backsteine finden wir ebenfalls an den ursprünglichen Portalen. Die beiden Archivolten des zweistufigen Nordportals bestehen aus Backstein, über dem äußeren Bogen befindet sich zusätzlich noch eine Läuferschicht in Backstein. Das Südportal ist vermauert, es scheint aber einfacher als das Nordportal gestaltet gewesen zu sein.

Dorfkirche Erxleben, Altmark, Sachsen-Anhalt
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Der mächtige Westquerturm ist beindruckend. Die Mauerstärken von Turm und Chor betragen in Erxleben zwei Meter. In der Kirche sollen sich außerdem Reste der qualitätvollen Ausmalung der ursprünglichen Apsiskuppel erhalten haben (Dehio).

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Wir aber steigen wieder aufs Fahrrad und sind nach drei Kilometern in Polkau.

Dorfkirche Polkau

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Die dreiteilige Kirche (Westquerturm, Schiff, Chor) stammt aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Zum Glück ist sie nicht (mehr?) verputzt, so dass man die Ausbesserungen gut sieht. Geschickt wurden im 14./15. Jahrhundert die Ecken des Turms mit Backstein erneuert, aus dem gleichen Material bestehen auch die großen abgetreppten spitzbogigen Schallöffnungen. Das ursprüngliche Nordportal (jetzt vermauert) ist kräftig gestuft und mit zwei Archivolten aus Backsteinen versehen, als Eingang dient seit der Instandsetzung von 1901 ein größeres Portal an der Nordwand des Turmes.

Dorfkirche Polkau, Altmark, Sachsen-Anhalt
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Wie üblich wurden auch hier die Fenster vergrößert, in Polkau haben sich aber an der Nordwand des Schiffes drei, an der Südwand des Schiffes eines und an der Ostwand des Chores zwei ursprüngliche Fenster erhalten. Das nördliche Chorfenster wird durch den Sakristeianbau verdeckt.
An der Westwand des Turms befindet sich über dem Feldsteinsockel eine flachbogige Backsteinnische. Wozu mag diese einst gedient haben?

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Dorfkirche Groß Ballerstedt

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Groß Ballerstedt (wie auch die anderen Dörfer in der Umgebung) gehört heute verwaltungsmäßig zur Hansestadt Osterburg. Die Stadtverwaltung ließ dankenswerter Weise an markanten Punkten Tafeln ("Wir leben Land") aufstellen, von denen man viel Interessantes über die einzelnen Orte erfahren kann. Groß Ballerstedt soll der Legende nach sogar einst ein Marktflecken mit Roland gewesen sein, wofür es allerdings keine historischen Belege gibt. Imposant ist auf jeden Fall die auf einer Anhöhe errichtete spätromanische Feldsteinkirche mit ihrem mächtigen Breitturm.

Dorfkirche Groß Ballerstedt, Altmark, Sachsen-Anhalt
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Das Mauerwerk ist ordentlich ausgeführt, die Feldsteine sind gut behauen und in gleichmäßigen Lagen verarbeitet. Die Kirche stammt aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und gehört mit Turm, Schiff, eingezogenem Chor und Apsis zu den typischen vierteiligen Kirchen der Region. Setzungserscheinungen machten den Anbau von Stützpfeilern erforderlich. Im 19. Jahrhundert wurden die Fenster verändert, doch kann man auf der Südseite des Schiffes noch zwei Rundbögen und auf der Nordseite noch eines der ursprünglichen romanischen Fenster erkennen. Das Fenster der Apsis ist dagegen erhalten geblieben. Ebenfalls erhalten blieben das zweifach abgetreppte Portal an der Südwand des Schiffes sowie die kleine romanische Priestertür an der Südwand des Chores. Und in der Westwand des Turmes befindet sich noch ein vermauerter Eingang - ein zusätzlicher Eingang in den Turm?

Dorfkirche Groß Ballerstedt, Altmark, Sachsen-Anhalt
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Dorfkirche Grävenitz

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Es muss damals eine Art Bauboom geherrscht haben, denn auch die Dorfkirche in Grävenitz - vierteilig mit Turm, Schiff, eingezogenem Chor und Apsis - wurde ebenfalls in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erbaut. Das Glockengeschoss des Turms mit Satteldach und den spitzbogigen gekuppelten und mit Backsteinlaibungen (heute verputzt) versehenen Schallöffnungen stammt allerdings aus etwas späterer Zeit. 1860 erfolgte eine umfassende Restaurierung, das Apsisfenster wurde zugesetzt, alle anderen Fenster vergrößert. Die ursprünglichen Eingänge wurden vermauert und dafür in den Turm ein neues Westportal eingebrochen.

Dorfkirche Grävenitz, Altmark, Sachsen-Anhalt
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Dorfkirche Wollenrade

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Die Dorfkirche in Wollenrade stammt aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhundert. Die spitzbogigen und mit Backsteinlaibung versehenen Schallöffnungen stammen aus einer späteren Zeit. Für die dreiteilige Kirche (Breitturm, Schiff, Chor) wurden große Feldsteine verwendet. Betrachtet man den Turm und die Wände von Schiff und Chor genauer, dann sieht man, dass sich das Mauerwerk in den oberen Teilen deutlich von den unteren Teilen unterscheidet. 1737 wurden Chor und Schiffswand erhöht, dabei die Fenster verändert und wohl auch ein neuer Eingang in der Westwand des Turms geschaffen.

Dorfkirche Wollenrade, Altmark, Sachsen-Anhalt
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An der Südseite werden noch zwei verlorene Fenster (im Schiff und im Chor) mit Backsteinlaibung angedeutet, in der Chorwand erkannt man zusätzlich ein vermauertes Rundbogenportal. Auch in der Nordwand des Schiffes deuten Backsteine auf ein ehemaliges spitzbogiges Portal hin.

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Dorfkirche Flessau

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Von der Dorfkirche in Flessau sind urkundliche Nachrichten bekannt, sie wurde 1230 durch Bischof Wilhelm von Havelberg dem Hl. Petrus geweiht. Die stattliche dreiteilige Kirche liegt auf einer kleinen Anhöhe, die granitenen Feldsteine sind gut behauen, das Mauerwerk ist ordentlich gesetzt und besonders qualitätvoll sind wiederum die Ecken ausgeführt. Wie man der Infotafel vor dem schönen spätgotischen Backstein-Kirchhofportal entnehmen kann, hat der diesmal sehr hohe Turm eine Besonderheit: In der Westwand befindet sich ein "bauzeitlicher Hocheingang, in welchem der ortsansässigen ritterlichen Familie ein in sich abgeschlossener Fluchtraum zur Verfügung stand." Von dem ehemaligen Rittergut ist heute allerdings nichts mehr vorhanden.

Dorfkirche Flessau, Altmark, Sachsen-Anhalt
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Das ehemalige Südportal ist vermauert, doch der kräftige Rundbogen ist noch gut sichtbar. Begehbar erhalten blieb die Priesterpforte in der Südwand des Chores; ein großer Findling mit einem Kreuz bildet den Türsturz. Wie fast überall wurden in der Barockzeit die Fenster der Kirche verändert (einige Bögen sind noch erkennbar), nur in der Ostwand des Chores blieb das ursprüngliche Fenster erhalten.

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Dorfkirche Klein Ballerstedt

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Ein Kirchlein bleibt uns noch übrig auf unserem Rundkurs: Die Dorfkirche in Klein Ballerstedt ist ein einteiliger Feldsteinbau mit halbrundem Ostschluss. Der Fachwerkturm wurde erst 1734/36 aufgesetzt. Die Fenster und der Eingang im Süden sind verändert, doch die kleinen segmentbogigen Backsteinfenster an der Nordwand und das Fenster am Ostschluss sind ursprünglich.

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Damit schließt sich jetzt der Kreis unseres Fahrradausflugs zu den Feldsteinkirchen südwestlich von Osterburg und wir kehren zum Ausgangspunkt zurück.
Es gibt aber nicht nur Feldsteinkirchen mit markanten Breittürmen in der Altmark, denn  als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Neo-Stile (Neo-Romanik, Neo-Gotik) modern wurden, entstanden auch neue Bauten oder es wurden alte Kirchen in diesem Stil "ergänzt". Wenn Sie möchten, schauen wir uns auf der nächsten Seite Beispiele von neogotischen Backsteintürmen in der Altmark an...
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Quellen und Literaturhinweise:
Scholke, Horst: Stille Schönheit. Romanische Feldsteinkirchen in der Altmark, Oschersleben 1993
Hanns H. F. Schmidt: Zwischen Elbe und Ohre. Wanderungen zu Dorfkirchen in der Altmark. Evangelische Verlagsanstalt Berlin, 1984
Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bezirk Magdeburg, Akademie-Verlag, Berlin, 1974

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zu: Backstein und Neogotik in der Altmark