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Extras - Figuren und Reliefs in aller Welt
Taufbecken und Kanzeln in der Toskana - Teil 2
Pistoia: Die Kanzel des Giovanni Pisano in Sant'Andrea, 1298-1301
Giovanni Pisano wurde etwa um 1248 in Pisa geboren. Um die Jahrhundertwende arbeitete Giovanni Pisano an der Kanzel in der Kirche Sant' Andrea in Pistoia, eine der vier Kanzeln, die aus der Hand der Bildhauerfamilie Pisano (Vater und Sohn) stammen.
Die Kanzel in Pistoia ist sechseckig, zwei der ingesamt sieben tragenden Säulen (eine Mittelsäule) stehen auf Löwen, eine dritte auf einer menschlichen Figur. Diesmal werden die Säulen mit Spitzbögen verbunden (wir sind in der Gotik angelangt), an den Ecken stehen Sibyllen, in den Zwickeln befinden sich Propheten.
In den Relieffeldern der Kanzel werden die bekannten Szenen des Neuen Testaments dargestellt: Wir sehen im ersten Relief die Verkündigung, Maria sich von der Geburt erholend (diesmal ist das Kind in der Krippe ihr zugewandt!) und die Vorbereitungen zur Waschung des Kindes. Im zweiten Relieffeld werden die drei Könige geweckt, bevor sie dem Kind huldigen (und ihm die Füße küssen). Es folgt der von Herodes befohlene Bethlehemitische Kindermord.
Hochdramatisch wiederum ist vor allem die Kreuzigungsszene. In der Art, wie Giovanni Pisano hier die Ohnmacht von Maria darstellt, erweist er sich als ein Meister des Gefühlsausdruck. Sie bricht nach hinten zusammen und wird gerade noch aufgefangen. Es ist bemerkenswert, wie ihr Gewand dabei ihre Körperlichkeit betont.
Giovanni Pisano hat etwa vier Jahre an der Kanzel in Pistoia gearbeitet. Mit ihren ausdrucksstarken und dynamischen Skulpturen stellt sie eines der wichtigsten Werke der gotischen mittelalterlichen Bildhauerkunst in Italien dar. Doch diese Elemente der Gotik werden noch weiter gesteigert bei Giovanni Pisanos nächstem Werk, der Kanzel im Dom zu Pisa.
Noch einmal Pisa: Die Kanzel des Giovanni Pisano im Dom von Pisa, 1302-1311
Kanzel im Dom zu Pisa
Dom und Baptisterium Pisa
Giovanni Pisano trat zum ersten Mal an den Arbeiten der Sieneser Kanzel bei seinem Vater Nicola auf. Seit 1284 war er mit der Fassade des Sieneser Doms befasst, ein Bauwerk, dass bis in unsere Zeit hinein nichts von seiner Faszination verloren hat. Aber Giovanni Pisano war in seinem Leben mit vielen Projekten befasst, ab 1302 mit der Kanzel im Dom zu Pisa. Die um 1311 fertiggestellte Kanzel im Dom zu Pisa zeigt eine völlig neue Formensprache, die für die Kunst des beginnenden neuen Jahrhunderts in der Region Vorbildwirkung entfaltet.
Zwischen der ersten "Bilderkanzel", die Nicola Pisano für das Baptisterium geschaffen hatte, und der Kanzel seines Sohnes Giovanni im Dom liegen etwa 50 Jahre. In diesem halben Jahrhundert hatten sich die Bildhauer mit den überkommenen Werken der klassischen Antike und den neuen Einflussen der vorwiegend in Frankreich entstandenen Gotik auseinandergesetzt, was bei einem Vergleich beider Werke deutlich wird. Die Kanzel im Dom ist eigentlich achteckig, erscheint aber rund durch ihren runden Sockel und die konvex gerundeten Relieffelder und Brüstungen.
Zwei der tragenden Säulen stehen auf Löwen, die ein Pferd bzw. eine Hirschkuh reißen. Bei vier anderen Stützen übernehmen Figuren die tragende Funktion. Ihre Deutung ist nicht einheitlich und kann durchaus unterschiedlich als Tugenden, Evangelisten oder auch als die sieben freien Künste erfolgen. Auffällig sind vier weibliche Sockelgestalten, von denen eine bezüglich ihrer Körperhaltung der antiken Venusfigur (Venus pudica) ähnlich sieht. Es könnte sich bei den Damen um Tugenden handeln. Sie stützen eine weitere Frauenfigur, die zwei Kinder nährt, vielleicht eine Darstellung der Caritas, möglicherweise aber auch die allegorische Darstellung der zwei Kirchen Ecclesia und Synagoge.
Der Erzengel Michael kämpft mit dem Schwert für die Gerechtigkeit, Herkules hingegen schwingt seine Keule, um gute Taten zu vollbringen. In Pisa jedoch stützen beide friedlich die Kanzel:
Die Reliefs an der Kanzel stellen in bewährter Folge das Heilsgeschehen dar: Doch diesmal beginnt es im ersten Bild mit der Geburt von Johannes dem Täufer, seiner Namensgebung und dem Treffen der beiden Frauen Elisabeth und Maria. Erst in der zweiten Szene sehen wir den kleinen Jesus in der Krippe liegen und wie sich Maria ihm liebevoll zuwendet. Im folgenden Bild sehen wir, wie die Heiligen drei Könige geweckt werden, wie sie sich auf den Weg machen und wie sie schließlich dem Jesusknaben huldigen.
Die Relieffelder sind außerordentlich detailreich gefüllt, mehrere Geschehen werden gleichzeitig dargestellt. So auch bei der Darbringung im Tempel und der Flucht nach Ägypten.
Die "Flüchtlingsfamilie" entkommt so dem grausamen Morden. Die Reliefdarstellung zeigt unmissverständlich, wer dafür verantwortlich ist: Herodes ist ins Zentrum des Bildes gerückt.
Giovanni Pisano stellt die Schrecken des Geschehens realistisch dar. Wir sehen die ohnmächtige Wut, die verhaltene Trauer, den vergeblichen Versuch die Mörder abzuwehren.
Giovanni Pisano stellt die Schrecken des Geschehens realistisch dar. Wir sehen die ohnmächtige Wut, die verhaltene Trauer, den vergeblichen Versuch die Mörder abzuwehren.
Die Passion Christi wird in zwei Feldern dargestellt. Im ersten die Gefangennahme (mit Judaskuss), Verhöhnung und Geißelung, im zweiten Feld die Kreuzigung. Wiederum erweist sich Giovanni Pisano bei der Schilderung der dramatischen Ereignisse, insbesondere auch bei der Ohnmacht Marias, als ein Meister der Gefühlsdarstellung.
In zwei weiteren Relieffeldern folgen noch die Darstellung des Weltgerichts. (Leider habe ich davon keine Fotos...)
Von den vier Kanzeln der Pisanos ist die im Dom zu Pisa die am weitesten entwickelte. Nach einem Brand im Dom war lange Zeit die Kanzel demontiert, einige der Teile sollen sich in verschiedenen Museen befinden. Seit 1926 ist die Kanzel in rekonstruierter Form wieder aufgestellt.
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Quellen und weiterführende Literatur:
K. Zimmermanns: Toscana, DuMont Kunstreiseführer, DuMont Reiseverlag, Ostfildern 2011
G. Duby, J.-L Daval (Hrsg): Skulptur, Von der Antike bis zur Gegenwart, 2. Teil, Mittelalter, Verlag Taschen, Köln 2013
Kunst und Geschichte der Toskana, bonechi, Florenz 2010
-----------K. Zimmermanns: Toscana, DuMont Kunstreiseführer, DuMont Reiseverlag, Ostfildern 2011
G. Duby, J.-L Daval (Hrsg): Skulptur, Von der Antike bis zur Gegenwart, 2. Teil, Mittelalter, Verlag Taschen, Köln 2013
Kunst und Geschichte der Toskana, bonechi, Florenz 2010
Wird fortgesetzt... Bis dahin: Bitte etwas Geduld...
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oder
in die Antike: Apoll, Laokoon und Torso vom Belvedere